Seit er als hochdekorierter Spitzenermittler der US-Militärpolizei vor Jahren freiwillig aus dem Dienst ausgeschieden ist, verfügt Jack Reacher weder über einen festen Wohnsitz noch einen Job, ist meist per Fuß oder per Anhalter unterwegs und eigentlich unauffindbar. Doch der aufgeweckten Leiterin des Personenschutzes beim Secret Service, M. E. Froelich, die mit Jacks mittlerweile verstorbenen Bruder Joe liiert gewesen ist, gelingt es trotzdem, den erfahrenen Ermittler durch eine Western-Union-Überweisung in Atlantic City aufzuspüren und ihn für einen außergewöhnlichen Job anzuheuern: Um Sicherheitslücken im Schutz des designierten Vizepräsidenten Brook Armstrong aufzudecken, soll Reacher einen Anschlag auf Armstrong vorbereiten.
Allerdings braucht Reacher nicht lange, um festzustellen, dass mehr hinter der heiklen Aufgabe steckt, die ihm die ebenso engagierte wie attraktive Froelich zugedacht hat, denn der Secret Service hat mit einer echten Bedrohung zu kämpfen, wie verschiedene Nachrichten, die abgefangen wurden, immer deutlicher machen. Als die Täter schließlich zwei beliebige Männer mit Namen Armstrong töten, wissen Reacher und Froelich, dass das Attentat auf die eigentliche Zielperson kurz bevorsteht.
„,Hier geht’s um Armstrong persönlich‘, fuhr Reacher fort. ,Es gibt keine andere Möglichkeit. Denken Sie an den Zeitrahmen, an Ursache und Wirkung. Armstrong ist erst diesen Sommer als Mitkandidat aufgetreten. Vorher war er praktisch unbekannt. Das hat Froelich mir selbst erzählt. Jetzt gehen Morddrohungen gegen ihn ein. Warum? Weil er im Wahlkampf irgendetwas getan hat, behaupte ich.‘“ (S. 339)Selbst wenn man noch keinen der vorherigen Jack-Reacher-Romane gelesen hat, macht es Lee Child den Lesern leicht, seinen charismatisch coolen Protagonisten kennenzulernen. Dazu gehört ein kurzer Abriss seiner imponierenden Laufbahn bei der Militärpolizei ebenso wie eine eindrucksvolle Demonstration seiner Nahkampffähigkeiten, bis er durch außergewöhnliche Umstände in einen verzwickten Fall hineingezogen wird, der seine ausgezeichneten Ermittler-Fähigkeiten erfordert.
In „Tödliche Absicht“ hat es Reacher nicht nur mit der Identifizierung der mutmaßlichen Attentäter und der Vereitelung des geplanten Anschlags auf den zukünftigen Vizepräsidenten zu tun, sondern auch mit einer überaus fähigen Secret-Service-Agentin, die die Trennung von Reachers Bruder Joe noch immer nicht verwunden hat.
Lee Child entwickelt den Plot mit langsam steigender Spannung, beschreibt dezidiert die Vorbereitungen, die der Secret Service und Reacher treffen, um die Attentäter aufzuspüren, die vor allem das mittlerweile involvierte FBI für Insider aus dem Secret Service hält. Reacher macht seinem hervorragenden Ruf wieder alle Ehre, ist bei seinen Schlussfolgerungen und Aktionen seinen Mitstreitern immer einen Schritt voraus und führt seinen Auftrag – überwiegend – erfolgreich zu Ende. Durch die Beziehung zwischen Froelich und Reachers Bruder erfahren wir weitere Details aus Reachers Vergangenheit. Interessanter als das Tête à tête zwischen Reacher und der Secret-Service-Agentin ist allerdings das Verhältnis zwischen Reacher und seiner unnahbaren Kollegin Neagley, der im Finale eine Schlüsselstellung zukommt.
Durch die sehr ausführlichen Schilderungen von Reachers Vorgehen und Analysen entstehen schon einige Längen, bis die Handlung in der zweiten Hälfte an Fahrt aufnimmt, aber dann erlebt der Leser einen REacher in Bestform. Das ist nicht mehr und nicht weniger, als man von einem Thriller dieser Reihe erwartet.
Leseprobe Lee Child - "Tödliche Absicht"
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