(Pulp Master, 256 S., Tb.)
Buddy Giovinazzo ist zwar in Staten Island, New York City, geboren und aufgewachsen, lebt aber zu großen Teilen in Berlin und hat vor allem als Filmemacher Karriere gemacht, bevor er auch als Schriftsteller bekannt geworden ist. So drehte er hierzulande diverse Folgen für „Tatort“, „Polizeiruf 110“, „SOKO Leipzig“ und „Der Kriminalist“, legte 1993 mit „Life is Hot in Cracktown“ („Cracktown“) sein Debüt als Schriftsteller vor. Mit „Poesie der Hölle“, „Broken Street“ und „Potsdamer Platz“ gewann Giovinazzo eine treue Lesergemeinde. 2009 folgte mit „Caution to the Winds“ sein bisher letzter Roman, der zwei Jahre später hierzulande unter dem kuriosen, saloppen Titel „Piss in den Wind“ bei Pulp Master veröffentlicht wurde.
Der Mittdreißiger James Gianelli verdient sich seinen Lebensunterhalt als College-Dozent für Fotografie und hofft, dass ihm die ersehnte Festanstellung ermöglicht, etwas mehr Stabilität in sein Leben zu bekommen. Doch als sich seine Freundin Karen nach zwei Jahren von ihm trennt und zu ihrem Bruder ziehen will, bekommt er einen psychotischen Anfall. Als er aus der Bewusstlosigkeit erwacht, liegt Karen mit Würgemalen am Hals tot neben ihm. Überzeugt, sie umgebracht zu haben, wickelt er sie in einen Teppich und verstaut ihn mit der unerwünschten Hilfe seines Nachbarn John Connor in Karens 82er Chevy. Den Wagen samt Leiche versenkt James nachts am Pier. Zwar fragen zunächst Karens beste Freundin Debbie und später auch die Cops bei ihm nach Karen Verbleiben, da sie nie bei ihrem Bruder angekommen ist, doch wird James offiziell nicht als Verdächtiger behandelt.
„Solange sie bleibt, wo sie ist, dachte ich, steht mein Wort gegen das der anderen. Ich bin unschuldig, bis meine Schuld bewiesen ist. Doch als ich über die Bucht blickte und ihren desolaten Zustand einfing, die weggeworfenen Zeitungen, das Holz, Flaschen und Autoreifen, all den leblosen, an die Küste gespülten Müll, der sie prägte wie Fingerabdrücke eine Tatwaffe, wurde mir klar, dass es nur eine Frage der Zeit war. Die See weiß, wann es noch eine Aufgabe zu erledigen gilt. Und als jede neue Welle zu einer Warnung wurde, jede Ladung Gischt zu einer Anklage, wusste ich, dass sie zurückkommen würde.“ (S. 169)
Karens Leiche taucht jedoch nicht auf. Da James das Alleinsein aber zusetzt, versucht er es zunächst mit Telefon-Sex, doch die Dame am anderen Ende will sich nicht auf ein persönliches Treffen einlassen. Und auch die Prostituierte Annabelle lehnt es ab, die ganze Nacht bei James zu verbringen. Als James eines Morgens Zeuge wird, wie die mit mehreren Messerstichen verschandelte Leiche einer jungen Frau ans Ufer gespielt wird, macht er einige Fotos von ihr, die er überall in seiner Wohnung platziert, auch in seinem Büro an der Universität.
Aus der Zeitung erfährt er, dass es sich um die 23-jährige Dominique handelt, von der er immer stärker besessen wird. Sie nimmt einen für ihn sehr real wirkenden Teil seines Lebens ein, doch als sich James für ihre jüngere Schwester Susan zu interessieren beginnt, entwickelt sich sein Leben zum kompletten Chaos …
Es ist kein Sympathieträger noch taugt er als Identifikationsfigur. Giovinazzos Ich-Erzähler James Gianelli hat durch seine traumatische Kindheit, die nach und nach in Rückblenden aufgefächert wird, ein mehr als gestörtes Verhältnis zu Frauen. Ihm ist spätestens durch die Trennung von Karen, die er wie viele andere Mädchen zuvor während seines Seminars kennengelernt hat, durchaus bewusst, dass er immer wieder die gleichen Fehler macht und zu sehr die Kontrolle über das Leben seiner Freundinnen gewinnen will. Auf der einen Seite bietet ihm die Beziehung zu Dominique eine erfrischende Abwechslung. Sie ist nicht nur willig, sondern fragt ihn regelmäßig, wie er sie sich wünscht, als hätte sie keinen eigenen Willen. Doch auch dieses Verhalten wird James bald lästig, und als er sich in ihre Schwester zu verlieben beginnt, entwickelt sich Dominique gar zur Bedrohung.
Hier bewegt sich der Autor auf den vertrauten Pfaden von Stephen King, aber auch Filmemacher wie Alfred Hitchcock und Brian de Palma kommen einem bei diesem Szenario in den Sinn. Was zunächst einen übernatürlichen Charakter aufweist, erweist sich aber bald als psychotische Störung des Protagonisten, doch entwickelt der Autor diese Gratwanderung nicht besonders überzeugend. Auch die Beziehung zu Susan wird nicht besonders gut herausgearbeitet, und so schwankt „Piss in den Wind“ etwas unentschlossen zwischen Psycho-Drama und Krimi, ohne den Figuren oder dem Plot die entsprechenden Konturen zu verleihen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen