Robert R. McCammon – „Blutdurstig“

Montag, 9. September 2024

(Knaur, 496 S., Tb.) 
Nach „Baal“, „Höllenritt“ und „Tauchstation“ legte der US-amerikanische Schriftsteller Robert R. McCammon 1981 seinen vierten Roman vor, der hierzulande erstmals 1988 unter dem Titel „Blutdurstig“ erschien. Man merkt diesem Frühwerk noch deutlich an, dass McCammon zwischen den bereits etablierten Horror-Autoren Stephen King, Dean R. Koontz und Peter Straub seine eigene Stimme zu finden versucht. 
Ende Oktober zählt Detective Captain Andy Palatazin zu den Polizisten, die Jagd auf einen Serienmörder machen. Nachdem ein Polizeibeamter den Mund einer der ermordeten Frauen mit toten Kakerlaken vollgestopft vorfand, dauerte es nicht lange, bis Gayle Clarke vom Los Angeles Tattler den Killer in ihrer Schlagzeile als „Kakerlak“ bezeichnete. Allerdings hinterließ der Kakerlak seit dreizehn Tagen keine Toten, keine Briefe mehr. Doch während der Mann namens Walter Benefield bereits auf der Suche nach seinem nächsten Opfer ist, breitet sich in Los Angeles eine weitaus größere Bedrohung aus. In dem Schloss, in dem einst dem Horrorfilmstar Orlen Kronsteen der Kopf abgehackt worden war, hat sich der Vampirfürst Prinz Vulkan mit seiner rechten Hand Falco eingenistet, der nach nichts weniger strebt, als ganz Los Angeles mit Untoten zu bevölkern. Als am Hollywood Memorial zwanzig Gräber geschändet und die Särge abtransportiert werden, haben weder die Öffentlichkeit noch die Polizei einen Schimmer, was ihnen da blüht, auch nicht, als weitere Friedhöfe auf ähnliche Weise verwüstet werden. Doch Palatazin, der aus dem ungarischen Krajeck stammt, bekommt bald mehr als eine Ahnung, was in der Stadt der Engel vor sich geht… 
„Wie viele hatten den Ruf des Meisters bereits vernommen? Wie viele irrten nachts bereits blutdürstig durch die Straßen? Tausend? Fünftausend? Zehntausend? Es würde schleichend geschehen, wie damals, vor so langer Zeit, in Krajeck, - bis die Stadt dem Meister und seiner Brut preisgegeben wäre. Er musste es einfach jemandem erzählen, der ihm glauben würde. Aber wem? Wem?“ (S. 255) 
Als die Gefahr auch anderen Menschen bewusstwird, scheint es schon zu spät zu sein, denn ein Sandsturm hat alle Zufahrtswege der Stadt unpassierbar gemacht… 
McCammon hat bereits in seinen ersten Werken zumindest ein erzählerisches Talent an den Tag gelegt, das zumindest in sprachlicher Hinsicht zu überzeugen verstand. Allerdings hapert es auch in seinem vierten Roman an einer originellen Geschichte. Die Vampir-Thematik haben andere Autoren wie Bram Stoker mit seinem Klassiker „Dracula“ und Stephen King (mit „Brennen muss Salem“) bereits ausgeschöpft. Dean Koontz dagegen hat nie einen Vampir-Roman geschrieben – aus gutem Grund, wie sich bei „Blutdurstig“ zeigt, denn McCammon reiht nur die vertrauten Elemente einer Vampirgeschichte aneinander. Selbst Prinz Vulkans Gehilfe Benefield kann seine literarische Herkunft von Draculas Diener Renfield nicht verhehlen. Dazu kommen das verwunschene Schluss als Vampir-Residenz, die Särge mit Erde aus der Heimat, Knoblauch, Kruzifixe und das ganze Gedöns – und leider auch viel zu viele Figuren, die nur oberflächlich charakterisiert werden. Der Sandsturm, der Los Angeles einkesselt, muss da als einzige originelle Idee herhalten, doch reicht das bei weitem nicht aus, um aus „Blutdurstig“ einen interessanten Roman zu machen.


Michael Connelly – (Renée Ballard: 5, Harry Bosch: 24) „Wüstenstern“

Dienstag, 3. September 2024

(Kampa, 416 S., HC) 
Es war ein kluger Schachzug des renommierten Thriller-Autors Michael Connelly, vor einigen Jahren mit Renée Ballard eine neue, interessante Figur einzuführen, die ausführlich in ihrem ersten Abenteuer „Late Show“ vorgestellt wurde, bevor sie nach ihrer Strafversetzung in die Nachtschicht beim LAPD unweigerlich den berühmt-berüchtigten Kollegen Harry Bosch kennenlernte. Seit dem zweiten Ballard-Band „Night Team“ werden die Bande zwischen Ballard und Bosch zunehmend enger geknüpft. Im fünften Ballard- und bereits 24. Bosch-Roman stehen die Zeichen einmal mehr auf Veränderung. 
Ein Jahr ist es her, dass Detective Renée Ballard aus Frust vor allem über Politik, Bürokratie und Frauenfeindlichkeit den Dienst quittiert und die Late Show verlassen hat, doch statt wie geplant mit dem bereits pensionierten Bosch gemeinsam als Privatermittler weiterzumachen ließ sie sich vom Polizeichef mit dem Angebot überreden, bei einer Rückkehr zum LAPD sich ihre neue Stelle aussuchen zu dürfen. Sie hatte sich zunächst für die Robbery-Homicide Division in Downtown entschieden und darf nun nach ausdrücklicher Initiative von Stadtrat Jake Perlman nun die neue Einheit Offen-Ungelöst leiten. Bosch nimmt ihr Angebot an, als Ehrenamtlicher dabei zu helfen, den nach wie vor ungeklärten Mord an Perlmans kleiner Schwester zu bearbeiten. 
Für Bosch bietet diese Tätigkeit zudem die Möglichkeit, sich um einen weiteren Fall zu kümmern, der zu den schlimmsten zählt, den Bosch und seine Kollegen nie aufklären konnten: Finbar McShane hat 2013 die vierköpfige Gallagher-Familie mit einer Nagelpistole ausgelöscht und ihre Leichen in der Wüste verscharrt, doch beweisen konnte ihm Bosch nichts. Neben Bosch sind noch der ehemalige FBI-Mann Thomas Laffont, Lilia Aghzafi von der Las Vegas Metro, der pensionierte Deputy District Attorney Paul Masser, die empathisch begabte Genealogin Colleen Hatteras und Lou Rawls, der auf Drängen des Stadtrats dazugestoßen ist, mit an Bord. 
Die Zusammenarbeit im Team läuft nicht ganz reibungslos, auch nicht zwischen Ballard und Bosch, doch dann hat Bosch eine Idee, die zunächst dem Pearlman-Mord neuen Schwung verleiht, denn ein Wahlkampfbutton bringt den Fall mit einem weiteren ungeklärten Mord in Verbindung… 
„Die Wahlen von 2005 hatten am 8. November stattgefunden, nur drei Tage nach dem Mord an Laura Wilson. Irgendwann während des Wahlkampfs hatte sie einen Unterstützerbutton bekommen, der in ihrer Krimskramsschublade gelandet war. Was, wenn überhaupt etwas, bedeutete das? War es Zufall, dass Laura Wilson einen Button bekommen hatte, der für einen Kandidaten warb, dessen Schwester elf Jahre zuvor von dem Mann ermordet worden war, der auch sie umbringen sollte?“ (S. 106) 
Michael Connelly zählt zu den ganz wenigen Thriller-Autoren, die trotz jahrelanger Erfolgswelle nie oder sehr selten an Qualität einbüßen. Das liegt vor allem daran, dass er seine Ermittler nicht nur interessante Fälle bearbeiten lässt, sondern in der detaillierten Beschreibung des Polizeialltags, ohne dabei den langweiligen Aspekten wie stundenlanger Beschattung zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Stattdessen lässt Connelly sein Publikum den Ermittlern über die Schulter schauen, so dass man sich als Leser und Leserin mitten im Geschehen glaubt. Dazu gewährt der Autor tiefe Einblicke in die Politik der Strafverfolgung, wenn etwa wichtige Entscheidungen ausgesessen werden, bis eine entscheidende Wahl erfolgt ist und sich die politische Stimmung verändert hat. 
Connelly versteht es geschickt, die Fälle Pearlman und Gallagher parallel laufen zu lassen, um zum Finale hin die Zügel zu straffen und die Handlung mit etwas Action und Spannung zu würzen. So lässt man sich als Krimi- und Thriller-Fan gern unterhalten!