Der 60-jährige Schriftsteller Francis lebt mit seiner zweiten Frau Judith, einer erfolgreichen Immobilienmaklerin an der Grenze zu Spanien und versucht, irgendwie mit den angehäuften Problemen seines Lebens fertigzuwerden. Natürlich schmerzt ihn noch immer der Verlust seiner ersten Frau Johanna und seiner Tochter Olga, die bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, aber auch Olgas Schwester Alice, die den Unfall damals überlebt hat, bereitet ihm immer wieder Kummer. Sie heiratete den ständig zugedröhnten Banker Roger, stürzte sich als bekannte Schauspielerin immer wieder in Affären und verschwindet auf einmal spurlos.
Roger, der endlich zur Vernunft gekommen war, nachdem er im Rausch zwei Fingerglieder seiner Tochter zerquetscht hatte, und schlagartig seine Finger von den Drogen ließ, kommt mit den beiden Zwillingen aus Paris zu Besuch; Francis kümmert sich eine Zeitlang um die Zwillinge, versucht aber auch, endlich an einem neuen Roman zu arbeiten. Währenddessen wird ihm bewusst, dass Judith und er sich zunehmend entfremden, und er engagiert den gerade aus dem Knast entlassenen Sohn seiner alten Schulfreundin A.M. , um Judith beschatten zu lassen. Doch der 24-jährige Jérémie kann Francis keine Beweise für Judiths Untreue vorlegen. Francis muss nicht nur tatenlos mit ansehen, wie A.M., die er als Detektivin auf die Suche nach Alice angesetzt hat, rasend schnell vom Krebs zerfressen wird. In dieser Atmosphäre von Misstrauen, Verlustängsten, Tod und Unbestimmtheiten ist es für Francis alles andere als einfach, sich aufs Schreiben zu konzentrieren.
„Viele glaubten, Johannas Tod habe mich am Boden zerstört, und niemand hätte einen Cent auf mein Comeback gesetzt. Gut möglich. Dass ich am Boden zerstört war und mir die Hoffnung, je wieder einen Roman zu schreiben, endgültig abschminken konnte, mochte durchaus zutreffen. Das hätte mich nicht allzu sehr verwundert. Es war aber noch zu früh, um es mit Bestimmtheit zu sagen.Philippe Djian erweist sich immer wieder als Meister von Erzählungen, in denen es vor allem um die Irrungen und Wirrungen eines Schriftstellers geht. Mittlerweile stehen dabei nicht mehr die erotischen Eskapaden im Mittelpunkt, die Djians frühen Meisterwerke „Betty Blue“, „Rückgrat“ oder „Verraten und verkauft“ geprägt haben; die Empfindungen des in die Jahre gekommenen Autors scheinen reifer geworden zu sein, doch taumelt er immer noch zwischen den verschiedensten, unausgegorenen Empfindungen hin und her. Mit gewohnt eleganter Sprache schildert Djian die Eindrücke, die sein Protagonist aufnimmt, die ihn immer aufs Neue verunsichern, verärgern und verwirren. Und das tut er so lebendig und eindrucksvoll wie selten zuvor in seinen letzten Werken. „Die Leichtfertigen“ ist sicher nicht das große Meisterwerk eines renommierten Schriftstellers, aber herrlich kurzweilig und amüsant zu lesen. Man merkt dem kurzen Roman überhaupt nicht an, dass das Verfassen solche Schwierigkeiten mit sich bringt, von denen Francis im Zitat berichtet, aber darin liegt wohl Djians Meisterschaft – in der Verbindung ungeschönter literarischer Reflexion und psychologisch einfühlsam beschriebener Tragödien, die seine Protagonisten zu bewältigen haben.
Es gibt nichts Schwierigeres, als einen Roman zu schreiben. Keine menschliche Beschäftigung erfordert so viel Anstrengung, so viel Selbstverleugnung, so viel Widerstandskraft. Kein Maler, kein Musiker kann einem Romanschriftsteller das Wasser reichen. Das ist fast jedem klar.
Ich biss manchmal mitten in einem Satz so fest die Zähne zusammen, dass der ganze Raum zu pfeifen begann. Das war auch Hemingways Erfahrung. Das Gras wurde nicht von selbst grün. Die Landschaft glitt nicht wie durch ein Wunder an der Scheibe vorbei.
Es wäre mir lieber gewesen, mit meiner Tochter wieder eine normale Beziehung zu haben oder meine Eheprobleme mit Judith zu lösen, aber einen Roman zu schreiben war im Moment das Einzige, was mir realisierbar schien. Mit jedem Tag war ich mehr davon überzeugt. Nichts anderes kam für mich in Frage. Ich sah keinen anderen Ausweg. Selbst wenn ich mich nach allen Seiten umschaute, sah ich keine andere Möglichkeit. Ich hatte noch nie ein Buch in einer solchen Verfassung geschrieben.“ (S. 122 f.)
Leseprobe: Philippe Djian: „Die Leichtfertigen“
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