Vor zwölf Jahren erlebte der Journalist Jack McEvoy den Höhepunkt seiner beruflichen Karriere, als er in der Rocky Mountain News den Killer überführte, den man den „Poeten“ nannte, und ein erfolgreiches Buch dazu veröffentlichte. Doch nun nähert sich seine Karriere dem Ende, als er im Zuge der bei Printmedien umgreifenden Kündigungswelle bei der L.A. Times entlassen wird.
Jack darf weitere zwei Wochen in der Redaktion verweilen, wenn er sich bereiterklärt, seine Nachfolgerin einzuarbeiten, die frisch von der Uni kommende, mit allen Wassern für den Medienmarkt der Zukunft gerüstete Angela Cook. Doch bevor der über Vierzigjährige die Segel streicht, will er noch eine große Story schreiben. Die Verhaftung des 16-jährigen Schwarzen Alonzo Winslow kommt dem ausgemusterten Polizeireporter gerade recht. Nachdem die nackte und mehrfach geschändete Leiche der 23-jährigen Striptease-Tänzerin Denise Babbit im Kofferraum ihres Mazda Millenia aufgefunden wurde, fand die Polizei im Wagen den Fingerabdruck des Verdächtigen, der in der Haft offensichtlich ein vollständiges Geständnis abgelegt hat und nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden soll. Jack kontaktiert zunächst die Großmutter des Angeklagten, die fest von der Unschuld ihres Enkels überzeugt ist, dann dessen Pflichtverteidiger, der Jack mit den wichtigsten Unterlagen versorgt. Dem über 900 Seiten umfassenden Protokoll des Geständnisses kann McEvoy allerdings entnehmen, dass Alonzo mit keinem Wort den Mord gestanden hat, sondern nur die Tatsache, dass er in dem Auto umherfuhr und dann die Leiche im Kofferraum entdeckte.
Als der Reporter auf einen ganz ähnlichen Fall in Las Vegas stößt, ist er überzeugt, dass in beiden Fällen die Falschen im Gefängnis sitzen.
„Im investigativen Journalismus mochte es vielleicht das Höchste sein, einen Präsidenten zu Fall zu bringen, aber was die Niederungen schnöder Kriminalität anging, war es auch nicht gerade das Schlechteste, wenn man den Nachweis erbringen konnte, dass ein vermeintlich Schuldiger unschuldig war… Einen unschuldigen Jungen freizubekommen, war schwer zu toppen. Mochte Alonzo Winslow offiziell auch noch nicht schuldiggesprochen worden sein, war er in den Medien längst verurteilt worden.Allerdings beginnt Angela Cook, die Story an sich zu reißen und macht durch ihre Recherche den mit allen Wassern gewaschenen Täter auf sich aufmerksam und bringt sich selbst in Gefahr ...
Ich war Teil dieser Lynchjustiz gewesen und sah jetzt, dass ich eine Chance bekommen hatte, alles wiedergutzumachen. Vielleicht gelang es mir, ihn zu retten.“ (S. 129)
Auch wenn es sich bei „Sein letzter Auftrag“ nicht um einen Roman aus Connellys bekannter Harry-Bosch-Reihe handelt, hat der amerikanische Bestseller-Autor mit Jack McEvoy doch eine Figur in den Mittelpunkt seines neuen Thrillers gestellt, der Boschs Wege bereits in „Der Poet“ gekreuzt hat. In der Kombination zwischen einem routinierten Journalisten auf dem Abstellgleis und einer ebenso gescholtenen FBI-Agentin hat Connelly ein Dream Team geschaffen, von dem in Zukunft hoffentlich mehr zu lesen sein wird. Die Recherche-Qualitäten des einen und die Ermittler-Fähigkeiten der anderen bringen schließlich einen überaus raffinierten wie brutalen Killer zur Strecke. Neben den für Thriller üblichen Einblicken in die Vorgehensweisen von Polizei und FBI erhält der Leser hier auch einen gelungen beschriebenen Eindruck vom Alltag in einer großen Tageszeitungsredaktion. Sympathische Helden, ein geschickt konstruierter Plot und ein packendes, wendungsreiches Finale sorgen für Thriller-Unterhaltung erster Klasse!
Leseprobe „Sein letzter Auftrag“
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