Jim Thompson – „Es war bloß Mord“

Sonntag, 18. Juli 2021

(Diogenes, 246 S., Tb.) 
Joe Wilmot unterhält mit seiner Frau Elizabeth in der Kleinstadt Stoneville mit 7500 Einwohnern das größere von zwei Kinos, wobei ihnen auch das zweite, allerdings leerstehende Filmtheater gehört. Durch seinen geschickten, durchaus manipulativen Umgang mit seinem Vermieter Andy Taylor, den Filmverleihern, Konkurrenten und seinen Angestellten hat er das Kino zum erfolgreichsten Kleinstadtkino im ganzen Staat gemacht. Doch die Fassade eines erfolgreichen Unternehmers fängt an zu bröckeln, als Elizabeth, die Joe damals beileibe nicht aus Liebe geheiratet hat, mit der unscheinbaren Carol Farmer eine Haushaltshilfe einstellt, die eigentlich nicht notwendig ist. Gerade als Joe mit Carol eine Affäre beginnt, wird er in flagranti von seiner Frau ertappt. 
Joe kann nicht genau sagen, wann sein Leben die verkehrte Richtung einschlug, ob die Affäre mit Carol der Auslöser war oder schon die Tatsache, dass er das Kino seines Konkurrenten Bower dichtmachte oder er und Elisabeth nach der Heirat für sich je eine Versicherung über zwölftausendfünfhundert Dollar abschlossen. Möglicherweise lag die Wurzel allen Übels auch in Joes Aufenthalt in Waisenhäusern und Besserungsanstalten oder in der kriminellen Vergangenheit von Carols altem Herrn. Elizabeth will aber nicht die Scheidung, sondern schmiedet einen Plan, der ihr 25.000 Dollar einbringt, was exakt die Summe ist, die bei dem Unfalltod eines der Versicherten ausgezahlt wird. So wird ein Plan geschmiedet, bei dem Elizabeth spurlos untertaucht und ein Brand in dem Kino inszeniert wird, bei dem eine Frau von außerhalb ums Leben kommt, die für Elizabeth gehalten wird. Nach Auszahlung der Versicherungssumme würden sowohl Elizabeth als auch Joe mit Carol die Gelegenheit bekommen, ein ganz neues Leben anzufangen. 
Doch dann beginnen ihm nicht nur der Kinokettenbesitzer Sol Panzer, sondern auch sein Vermieter, der Filmverleiher Hap Chance und Appleton, der Mann von der Versicherungsgesellschaft, ordentlich zuzusetzen. Aber für Joe gibt es da schon keinen Weg mehr zurück. 
„Ich musste weitermachen. Ich musste den Wert des Barclay erhalten, damit ich mir Haps und Andys Schweigen erkaufen konnte. Wenn ich Schwein hatte, sprang am Ende doch noch was für mich raus. Wenn ich Pech hatte – nur ein klein wenig -, tja … Es war nicht gerecht. Es war verrückt. Dieser ganze Ärger, nur wegen einer Frau, die ich nicht kannte, nie gesehen hatte; einer Frau, die, wenn man’s richtig betrachtete, absolut nichts hermachte.“ (S. 130) 
James Myers „Jim“ Thompson (1906-1977) zählt heute zu den besten Noir-Krimi-Autoren, die das Erbe von Dashiell Hammett, Raymond Chandler und James M. Cain angetreten haben. Nach „Jetzt und auf Erden“ (1942) und „Fürchte den Donner“ (1946) war „Es war bloß Mord“ (1949) Thompsons dritter Roman und ein Paradebeispiel für die menschlichen Abgründe, in die sich der Autor mit seinen Romanen bewegte. 
Nicht eine Figur in „Es war bloß Mord“ erweckt beim Leser auch nur einen Hauch von Sympathie. Stattdessen darf man verfolgen, wie jeder und jede einzelne nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist und dafür auch vor Mord nicht zurückschreckt. Erpressung stellt dabei noch das geringste Vergehen dar. Mit scharfzüngigen, knackigen Dialogen, die später auch Regisseure wie Stanley Kubrick (der Thompson an den Drehbüchern zu „Die Rechnung ging nicht auf“ und „Wege zum Ruhm“ mitwirken ließ) oder Schriftsteller wie Stephen King zu schätzen lernten, kreiert der zum Ende seines Lebens völlig verarmte Autor hier eine bitterböse Atmosphäre, die die Figuren schnurstracks ins Verderben rennen lassen. 
Die feinen Beobachtungen über das Studiosystem in Hollywood der 1940er Jahre und der lakonische Schreibstil macht „Es war bloß Mord“ zu einem kurzweiligen, düster-makabren Krimi-Vergnügen, das Thompson zwar noch nicht auf der Höhe seiner Schaffenskraft zeigt, aber beweist, wie sehr Habgier, Gewalt und Korruption bei Thompson in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt sind. 

 

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