Tom Franklin – „Krumme Type, krumme Type“

Montag, 5. Juli 2021

(Pulp Master, 402 S., Tb.) 
Larry Ott, 41, ledig, lebt allein im Haus seiner Eltern im ländlichen Mississippi, kümmert sich um seine Hühner, betreibt eine schlecht gehende Werkstatt und besucht regelmäßig seine an Alzheimer erkrankte Mutter im Pflegeheim, die zunehmend weniger gute Tage hat als schlechte. Seit Larry vor 25 Jahren verdächtigt worden ist, für das Verschwinden von Cindy Walker verantwortlich gewesen zu sein, da er offenbar der Letzte gewesen war, der sie lebend sah, wird er vor allem „Scary“ Larry genannt und von allen Menschen gemieden. 
Als er eines Abends nach Hause kommt, steht ihm ein Mann mit einer Zombiemaske gegenüber und schießt auf ihn. Larry wird schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht, fällt ins Koma, kommt aber durch. Chief French übernimmt die Ermittlungen, stellt einen Wachposten vor Larrys Krankenzimmer und hofft auf ein Geständnis, sobald Larry wieder ansprechbar ist, denn es scheint klar, dass der Mann, der sich offenbar selbst erschießen wollte, auch für das Verschwinden der kleinen Rutherford, der Tochter des Sägewerkbesitzers, vor acht Tagen verantwortlich gewesen ist. 
Nur Silas Jones, seit zwei Jahren – der einzige – Gesetzeshüter von Chabot, weiß, dass Larry Ott nicht der Täter gewesen sein kann. In ihrer Kindheit in den 1970er Jahren waren Larry und Silas nämlich so etwas wie geheime Freunde und so unterschiedlich, wie man nur sein kann. Larry, weiß, dicklich, unsportlich und eine Leseratte mit einer besonderen Vorliebe für Stephen King, war der typische Nerd und Außenseiter, während der schwarze Silas ein grandioser Baseballspieler mit Zukunft ist, es aber mit seiner alleinerziehenden Mutter schwer hat, über die Runden zu kommen. Nur Silas und Larry wissen, was sie einander verbindet, doch gingen sie irgendwann getrennte Wege, behielten ihre jeweiligen Geheimnisse über die Jahre für sich. Doch als Silas bemerkt, dass nur er allein dafür sorgen kann, dass Larry nicht für zwei Morde belangt wird, die er nicht begangen hat, bringt er Klarheit in die Geschichte, während Larry unabhängig davon plant, seine Geschichte zu erzählen … 
„Larry beschloss zu reden, sobald French ins Krankenhaus käme. Erzählen, woran er sich erinnerte. Dass er zunächst eine Art Beschützerinstinkt gegenüber dem Mann empfunden hatte, der auf ihn geschossen hatte. Der sein Freund gewesen war. Aber er hatte ja auch geglaubt, Silas wäre sein Freund gewesen, oder? Vielleicht täuschte er sich ja, was das Wort Freund anging, vielleicht war er schon so lange von allen weggestoßen worden, dass er nur noch ein Schwamm für die Untaten war, die andere begingen.“ (S. 347) 
Schon mit seinem bei Heyne als Hardcover veröffentlichten Debütroman „Die Gefürchteten“ hat sich Tom Franklin als großartiger Erzähler in der Tradition von Cormac McCarthy, William Faulkner, Flannery O’Connor, James Lee Burke oder Joe R. Lansdale erwiesen. Nach „Smonk“ präsentierte er mit „Krumme Type, krummer Type“ einen vielschichtigen Kriminalroman über zwei Verlierer-Typen, die im rassistischen Milieu der Südstaaten der 1970er Jahre fast so etwas wie Freunde geworden wären, wenn die Umstände es erlaubt hätten. Franklin erzählt die Geschichte der beiden Männer aus unterschiedlichen Perspektiven, beleuchtet mal Silas‘, dann Larrys Geschichte, springt zwischen Vergangenheit und Gegenwart hin und her, bis sich die Puzzleteile des Dramas allmählich zusammenfügen. Der Autor bleibt stets dicht bei seinen Figuren, charakterisiert sie mit all ihren persönlichen Facetten und entwickelt gerade in der sukzessiven Enthüllung der tragischen Nacht vor 25 Jahren einen Sog, der den Leser bis zum packenden Finale souverän in seinen Bann zieht. Es ist aber auch eine berührende Geschichte über Rassismus und die Art und Weise, wie Männer mit Geheimnisse umgehen. Kein Wunder, dass „Crooked Letter, Crooked Letter“ – so der Originaltitel - in Baden-Württemberg im Fach Englisch zum Abiturstoff zählt, Platz 1 der Krimibestenliste belegte und 2019 mit dem Deutschen Krimipreis ausgezeichnet wurde.  

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