James Lee Burke – (Dave Robicheaux: 12) „Die Schuld der Väter“

Donnerstag, 19. August 2021

(Pendragon, 468 S., Pb.) 
Im Sommer 1942 beobachteten der damals 12-jährige Dave Robicheaux und sein 15 Monate jüngerer Halbbruder Jimmie am Rande eines Parks in New Iberia, Louisiana, wie sich in einem alten Ford zwei Pärchen miteinander vergnügten, worauf ein Mann, die seine weibliche Begleitung Legion nannte, den Jungs mit seinem aufgeklappten Taschenmesser einen gehörigen Schrecken einjagte. Nun bekommt es Dave Robicheaux, mittlerweile Detective in der Sheriff-Dienststelle des Iberia Parish, erneut mit diesem unheimlich erscheinenden Mann zu tun, als er zusammen mit seiner Partnerin Helen Soileau den Mord an zwei jungen Frauen aufklären muss. 
Für die brutale Vergewaltigung und den Mord an der sechzehnjährigen weißen Einser-Schülerin Amanda Boudreau wird zunächst der 25-jährige schwarze Cajun-Musiker und Straßengauner Tee Bobby Hulin aufgrund seiner Fingerabdrücke am Tatort festgenommen und von Perry LaSalle verteidigt, doch Amandas Freund, der gefesselt worden ist, will zwei Männer mit Sturmhauben gesehen haben, die für die Tat verantwortlich gewesen sein sollen. Der großmütige Perry LaSalle, der Tee Bobbys Verteidigung übernimmt und Spross des mächtigen Plantagenbesitzers Julian LaSalle ist, strengt sich nicht besonders an, die Unschuld seines Mandanten zu beweisen. 
Die Dinge verkomplizieren sich, als mit Marvin Oates ein zwielichtiger Bibelverkäufer auftaucht und die Prostituierte Linda Zeroski ebenfalls tot aufgefunden wird, was ihren Vater, den Mafioso Joe Zeroski, dazu animiert, den Schuldigen selbst zur Rechenschaft zu ziehen. Doch ist es vor allem eine alte Geschichte zwischen Legion, der als Aufseher auf der LaSalle-Plantage berüchtigt dafür gewesen war, sich über beliebige schwarze Frauen herzumachen, und Tee Bobbys Großmutter Landice, die Licht in die Ermittlungen bringt. 
Aber auch der Clubbesitzer Jimmy Dean Styles, der als Manager von Tee Bobby fungiert, beunruhigen sowohl Dave als auch seinen besten Freund und ehemaligen Kollegen bei der Mordkommission in New Orleans, Clete Purcel. Während Purcel sich wie gewohnt mit den falschen Frauen einlässt und seine Unbeherrschtheit kaum zügeln kann, wird auch Robicheaux bei all den zwielichtigen Typen, mit denen er zu tun hat, von gewalttätigen Phantasien heimgesucht … 
„In dieser Nacht lag ich schlaflos in der Dunkelheit, während der Wind draußen durch die Bäume strich und das Laub im Sumpf im gespenstisch weißen Licht der Blitze im Süden flackerte. Ich hatte mich in meinem ganzen Leben noch nie so allein gefühlt. Einmal mehr gierte ich geradezu danach, die Finger um die Griffschalen und den Abzug einer schweren, großkalibrigen Pistole zu legen, den beißenden Korditgestank zu riechen, alle Selbstbeherrschung fallen zu lassen, mich loszureißen von den Banden, die mich einschränkten und mir die Luft aus den Lungen quetschten. Und ich wusste, was ich tun musste.“ (S. 352) 
Seit James Lee Burke 1987 mit „The Neon Rain“ den ersten Krimi um den Vietnam-Veteranen und Südstaaten-Cop Dave Robicheaux veröffentlichte, bringt die mittlerweile 23 Bände (von denen noch einige auf ihre deutsche Erstveröffentlichung warten) umfassende Reihe immer wieder die besten Werke des Genres hervor. „Die Schuld der Väter“, der 12. Band der gefeierten Reihe, macht da keine Ausnahme. Burke lässt seinen Ich-Erzähler Dave Robicheaux, dessen Adoptivtochter Alafair demnächst aufs College gehen wird, einmal mehr durch die Labyrinthe menschlicher Abgründe waten. Dabei wirken die Charaktere, mit denen er und Purcel zu tun haben, so undurchsichtig, dass es auch dem Leser, der die Geschichte fast ausschließlich aus Robicheaux‘ Perspektive erzählt bekommt, schwer fällt, die richtigen Schlüsse zu ziehen. 
Einzig bei dem einhellig als unheimlich und stinkenden Legion sind sich alle Beteiligten einig, dass er das pure Böse personifiziert. Burke erweist sich einmal als Meister darin, seinem Publikum nicht nur die besondere Atmosphäre der Südstaaten in seinen bildhaften Beschreibungen lebendig vor Augen zu führen, sondern mit pointierten Dialogen und vielschichtigen Beobachtungen seines Protagonisten tief in die Irrungen und Wirrungen des menschlichen Wesens einzudringen und auf den Grund der Seele der vielschichtigen Figuren zu stoßen, die selten einfach nur gut oder schlecht sind, sondern von je eigenen Dämonen getrieben werden, die sie manchmal nur im Leben scheitern, manchmal aber auch extrem brutale Verbrechen verüben lassen.  

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