Tom Franklin – „Smonk“

Montag, 23. August 2021

(Pulp Master, 307 S., Tb.) 
Mit Eugene Oregon Smonk ist wahrlich nicht zu spaßen. Seit Jahren entzieht er sich überall im Land dem Zugriff des Gesetzes, hat sich immer das genommen, wonach ihm gerade war, hat bestochen, erpresst, genötigt, in jeder Form Gewalt ausgeübt. Als ihm in der Kleinstadt Old Texas, Alabama, am 1. Oktober 1911 der Prozess gemacht werden soll, verkleiden sich sogar die Frauen als Männer, um an der Verhandlung teilnehmen zu können. Dem Gerichtsdiener Will McKissick hat der einäugige, schießwütige Farmer einst nicht nur die Arbeit, sondern auch die Frau genommen, aber so erging es vielen Männern in der Gemeinde, die auch in den Bürgerkrieg ziehen mussten und nicht mehr erlebten, wie Smonk sich um die Witwen und ihre Töchter kümmerte. 
Zum Prozess, der letztlich nicht mehr als ein Lynchmob darstellt, kommt es allerdings nicht. Smonk ist clever genug gewesen, zwei auswärtige Auftragskiller zu engagieren, die als Fotografen getarnt ihren Planwagen vor dem vermeintlichen Gerichtsgebäude platziert haben und schließlich mit ihren Maschinengewehren kurzen Prozess mit allen Beteiligten machen, die bereits mit Schürhaken, Reitpeitschen, Ziegelsteinen, Tischbeinen und Billardstöcken bewaffnet darauf warteten, das Urteil vollstrecken zu dürfen. Smonk kann also fliehen. Zwar muss er sein Glasauge im Getümmel McKissick überlassen, dafür entführt er dessen elfjährigen Sohn. 
McKissick wird vom korrupten Richter damit beauftragt, sich auf die Suche nach dem Geflüchteten zu machen. Begleitet wird er vom Schmied Gates, dessen Frau Lurleen und seine Stieftöchter ebenfalls fleischlichen Umgang mit Smonk pflegten und allesamt dem Massaker zum Opfer gefallen sind. Während sich McKissick und Gates zunächst auf den Weg zu Smonks Farm machen, jagen der christliche Sheriff Walton und seine Leute die 15-jährige, knabenhaft aussehende Hure Evavangeline, die für einen Dollar für jedermann die Beine breit macht, um zu überleben, aber auch keine Hemmungen hat, gewalttätige Männer ins Jenseits zu befördern. Gates, der vor Lurleen bereist zwei Frauen hatte und es auch mit seiner Stieftochter Clena getrieben hatte, hofft derweil, durch die Jagd auf Smonk an weitere Gelegenheiten zu kommen, sich mit dem anderen Geschlecht zu vergnügen … 
„Gates stimmte zu. Aber sein Plan – sein geheimer Plan – bestand darin, abzuwarten, bis der Gerichtsdiener Smonk umgebracht hatte, und ihm dann aufzulauern und ihn umzubringen. Und falls sie Smonk nicht fanden, was dem Schmied ganz recht wäre, hätte er immer noch das Auge als Beweis dafür, dass er Schmonk umgebracht hatte. Er malte sich aus, wie er es mehreren jungen Mädchen zeigte und wie ihre Titten seinen Oberarm streiften.“ 
Tom Franklin hatte mit der 1999 veröffentlichten Kurzgeschichtensammlung „Poachers“ (die 2020 hierzulande vom Berliner Kleinverlag Pulp Master als „Wilderer“ erschienen ist) und seinem vier Jahre darauf folgenden Romandebüt „Hell at the Breech“ (der 2005 bei Heyne unter dem Titel „Die Gefürchteten“ sogar als Hardcover veröffentlicht wurde) bereits zwei gefeierte Bücher veröffentlicht und einen schönen Vorschuss auf sein nächstes Buch erhalten, als er von einer Art Schreibblockade heimgesucht wurde und eine ganz andere Art von Buch begann, das zunächst eine Art Parodie auf Cormac McCarthys „Die Abendröte im Westen“ werden sollte, aber dann einen ganz eigenen Weg einschlug, der zwar McCarthys biblischen Ton beibehielt, aber dann zu einer Western-Groteske auswuchs, in der gleich im ersten Satz verkündet wird, dass der allseits verhasste Smonk innerhalb eines Tages ermordet werden würde. 
Kurz darauf schon erlebt der Leser einen fulminanten Shoot-Out, der das Finale von Sam Peckinpahs „The Wild Bunch“ gemahnt, und eine Odyssee durch die Südstaaten, die von Tollwut, Wollust und Gewalt in allen vorstellbaren Formen geprägt ist. Hier ist jeder nur auf sein eigenes Wohl, die Befriedigung jeder Art von sexuellen Begierden aus, so dass es außer dem fast zwölfjährigen McKinnick Junior keine sympathische Figur in dem Roman gibt. 
Das ist sicher nichts für schwache Nerven und vor allem zartbesaitete Gemüter, doch die Art, wie Franklin in bester Tradition von McCarthy und Larry Brown die dunklen Seite der rauen wie schönen Südstaaten mit seiner wortgewaltigen und humorvollen Sprache aufdeckt, ist einfach ein Genuss. 

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