Als der ehemalige CIA-Agent Art Keller 1973 von der gerade gegründeten DEA in die mexikanische Provinz Sinaloa geschickt wird, werden seine Ambitionen im Kampf gegen die Drogen zunächst von der örtlichen Polizei als auch den eigenen Kollegen torpediert. Das ändert sich erst, als er Miguel Ángel Barrera kennenlernt, der nicht nur Polizeioffizier in Sinaloa ist, sondern auch Leibwächter und rechte Hand des dortigen Gouverneurs Manuel Sánchez Cerro. „Arturo“, wie Art von seinen neuen mexikanischen Freunden genannt wird, erkämpft sich in einem Boxkampf den Respekt von Barreras Neffen Adán und wird in die Familie aufgenommen, die mit einem fulminanten Paukenschlag das Drogenimperium von Don Pedro Áviles zerschlägt.
Doch Familienoberhaupt Tío Barrera dient dieses Manöver nur dazu, sich selbst an die Spitze einer neuen Federación zu setzen, die auf einmal den gesamten Drogenhandel an der mexikanisch-amerikanischen Grenze kontrolliert.
„Offenbar gibt es ein Gesetz der paradoxen Wirkungen, denkt Keller beim Anblick der Kisten schleppenden Federales. Operation Condor sollte das Krebsgeschwür der Opiumproduktion beseitigen, doch bewirkt hat sie, dass sich überall im Land Metastasen bilden. Das muss man den Opiumbauern von Sinaloa lassen – ihre Reaktion auf die Vertreibung war einfach genial. Sie haben begriffen, dass ihr wertvollstes Kapital nicht die Drogen sind, sondern die zweitausend Meilen gemeinsame Grenze mit den USA. Den Boden kann man vergiften, Ernten kann man verbrennen, Menschen kann man vertreiben, aber diese Grenze steht fest, ihr kann man nichts anhaben. Und eine Ware, die auf der einen Seite der Grenze ein paar Cent wert ist, lässt sich auf der anderen Seite für zig Dollar verkaufen. Die Ware, um die es geht, ist – allen offiziellen Verlautbarungen zum Trotz – Kokain.“ (S. 135)Die mexikanische Federación ist von der Drogenproduktion auf den –transport umgestiegen, lässt sich von den Kolumbianern tausend Dollar für jedes Kilo Kokain zahlen, das die Mexikaner in die USA schmuggeln, wo es in Labors zu Crack verarbeitet und auf den Straßen der USA vertrieben wird. Keller muss sich neue Verbündete suchen, um seine ehemaligen Freunde zu bekämpfen. Doch bei all den undurchsichtigen Manövern, Intrigen und Hinterhalten sterben immer wieder Unschuldige …
Schon in seiner Kindheit hatte der New Yorker Schriftsteller Don Winslow Kontakt zu berüchtigten Mafiagrößen und hat fünf Jahre an seinem durch eine wahre Begebenheit inspirierten Thriller geschrieben, das sich wie ein packendes Epos à la „Der Pate“ liest und als literarisches Äquivalent zu Steven Soderberghs Drogen-Episoden-Drama „Traffic“ angesehen werden kann. Winslow gibt sich viel Mühe, in seiner schnörkellosen Sprache die Zusammenhänge in dem komplexen Drogenkrieg zu erläutern, den der amerikanische Präsident Richard Nixon ausgerufen hat und bis heute noch zu keinem Ende gekommen ist. Schließlich verdienen alle Beteiligten enorme Summen mit der Produktion und dem Vertrieb von Drogen. Allianzen werden geknüpft und verraten, Exekutionen in Auftrag gegeben, Massaker und Folterungen veranstaltet, Freunde werden zu Feinden, Unschuldige geraten ins Kreuzfeuer der Drogenmafioso.
„Tage der Toten“ deckt einen Zeitraum von gut dreißig Jahren ab und bringt verschiedene Charaktere wie den irischen Killer Callan, den mexikanischen Bischof Juan Parada und die Edelprostituierte Nora Hayden ins Spiel, deren Wege sich auf verschlungenen Pfaden kreuzen und das Drama mit Leben füllen. Winslow nimmt bei der Schilderung von Folter-, Sex- und Attentatsszenen kein Blatt vor den Mund, was sein Epos ebenso authentisch wie brutal wirken lässt. Auf jeden Fall lässt dieses mit dem „Deutschen Krimipreis 2011“ausgezeichnete Meisterwerk niemanden kalt.
Lesen Sie im Buch: Don Winslow – „Tage der Toten“