Nach vier Tagen in seinem neuen Job als Staatsanwalt in San Francisco wird Wes Farrell mit einem besonders heiklen Fall konfrontiert. Von Cliff und Theresa Curtlee, Eigentümer des „Courier“, San Franciscos zweitgrößter Zeitung, wird er gedrängt, den Prozess gegen ihren Sohn Ro nicht wieder aufzunehmen. Dieser wurde vor zehn Jahren wegen Vergewaltigung und Mord an dem Curtlee-Hausmädchen Dolores Sandoval zu 25 Jahren bis lebenslänglich verurteilt worden, doch durch eine erfolgreiche Berufung steht für Ro nun der Weg offen, auf Kaution freigelassen zu werden, bis über die Wiederaufnahme des Prozesses entschieden worden ist.
Tatsächlich wird Ro die ersehnte Kaution gewährt, der sich sofort daran macht, potentielle Zeugen und Mitschuldige an seiner damaligen Verurteilung aus dem Weg zu räumen, ohne dass ihm von Kommissar Abe Glitsky und der stellvertretenden Staatsanwältin Amanda Jenkins etwas nachgewiesen werden kann.
„In Farrells Augen war das Recht ein nicht dehnbahres, objektives Instrumentarium, mit dem eine Gesellschaft ihre Meinungsverschiedenheiten klärte. Der Ermessensfreiheit waren enge Grenzen gesetzt. Und Moral war ein Faktor, der ohnehin nur höchst selten zum Tragen kam. Aber mit Sicherheit war das Gesetz kein Werkzeug, mit dem man selektiv die einen verfolgte – und andere, die das gleiche Vergehen begangen hatten, ungeschoren davonkommen ließ. Glitsky und Jenkins hatten offenkundig kein Problem damit, die Rechtslage kreativ zu interpretieren, um Ro Curtlee wieder hinter Gitter zu schicken. Farrell hingegen war überzeugt, dass alles, was nicht mit der gleichen Elle gemessen würde, per Definition Unrecht sei. Und trotzdem glaubten Glitsky und Jenkins offensichtlich, dass sie Recht und – mehr noch – die Moral auf ihrer Seite hatten.“ (S. 92f.)Der amerikanische Schriftsteller John Lescroart zählt nach John Grisham zu den besten Justizthriller-Autoren der heutigen Zeit. Mit seinem neuen Werk „Der Angeklagte“ demonstriert er wiederum eindrucksvoll, warum ihm diese Genre-Spitzenstellung zu Recht gebührt. Von der ersten Seite an fesselt Lescroart den Leser mit einem packenden Plot und entwickelt einen nervenzerreißenden Wettkampf zwischen den aufrichtigen Gesetzeshütern und den abgrundtief bösen Ro Curtlee, der sich keinen Deut um Recht und Moral schert. Zwar sind Lescroarts Figuren extrem eindimensional gezeichnet – hier die sympathischen Hüter von Recht und Ordnung, dort die reichen Curtlees, die glauben, mit ihrem Geld alles kaufen zu können und so auch über dem Gesetz zu stehen -, doch unterstützt diese Schwarz-Weiß-Malerei die Dramaturgie im Kampf für die Gerechtigkeit. Der Showdown hat es auf typisch amerikanische Weise natürlich in sich und wartet mit ein paar Überraschungen auf. Und Fans von Lescroarts Kultfigur Dismas Hardy dürfen sich auf ein kurzes Stelldichein ihres Lieblings freuen.
Lesen Sie im Buch: John Lescroart – „Der Angeklagte"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen