Ein Mann, der sich Ulf nennt und eine Pistole und einen Geldgürtel bei sich trägt, steigt in Kåsund aus dem Bus und gibt sich gegenüber Mattis, dem ersten Mann, dem er begegnet, als Jäger aus, der nach einer Übernachtungsmöglichkeit sucht und für die erste Nacht in der Kirche unterkommt. Am nächsten Morgen macht er die Bekanntschaft von Lea und ihrem Sohn Knut, die ihm den Weg zur jedermann zur Verfügung stehenden Jagdhütte weisen.
Ulf, der als Haschdealer begonnen hatte und sich später in den Amphetamin- und Heroinmarkt des Fischers gedrängt hat, sucht nämlich das perfekte Versteck. Als Geldeintreiber für den Fischer, der den Drogenmarkt in Oslo beherrscht, hat er bei einem Expedierungs-Auftrag in die eigene Tasche gearbeitet, um die experimentelle Behandlung seiner todkranken Tochter in Deutschland finanzieren zu können.
Ulf stellt fest, dass die in diesem abgeschiedenen Landstrich lebenden Samen und vor allem die gläubigen Læstadianer nach ihren eigenen Regeln leben. So hat Lea zwar gerade ihren beim Seelachsfischen verunglückten Mann Hugo beerdigt, fühlt sich aber nach wie vor mit ihm verheiratet und lässt nicht zu, dass sie Gefühle für Ulf entwickelt. Derweil hat mit Johnny Moe der erste Killer aus Fischers Truppe den Weg nach Kåsund gefunden, um Ulfs Schulden einzutreiben …
„Ich glaubte weder an Träume noch an Götter. Ich glaubte eher an die Liebe eines Junkies zu seinem Dope als an die Liebe der Menschen zueinander. Ich glaubte aber an den Tod. Ein Versprechen, das immer eingehalten wurde, wie ich wusste. Ich glaubte an eine Neun-Millimeter-Kugel mit einer Geschwindigkeit von tausend Kilometern in der Stunde. Und dass die Zeit zwischen dem Austritt des Projektils aus dem Lauf der Waffe und dem Einschlag in deiner Stirn das Leben war.“ (S. 188f.)Wie schon im nicht mal 200 Seiten umfassenden „Blood On Snow“-Debüt „Der Auftrag“ erzählt der norwegische Thriller-Bestsellerautor Jo Nesbø auch im zweiten Band die Geschichte eines Mannes an einem Wendepunkt in seinem Leben. Dabei muss auch Ulf Hansen feststellen, dass ihn seine kriminelle Vergangenheit gerade dann einholt, als er sich einer ganz persönlichen Angelegenheit widmen muss, nämlich der Rettung seiner todkranken Tochter, und dass sie ihn immer noch verfolgt, als er sich auf der Flucht vor den Konsequenzen in eine junge Witwe verliebt.
„Das Versteck“ ist durch das Drogenmilieu und den Namen Daniel Hoffmann ganz lose mit dem ersten Band der „Blood On Snow“-Reihe verbunden, erzählt aber eine ganz eigenständige Geschichte, deren Struktur aber durchaus „Der Auftrag“ ähnelt. Ein (wenn hier auch nur vermeintlicher) Auftragskiller stellt persönliche Gefühle über das Geschäft und bugsiert sich damit in eine brenzlige Situation. Wenn Ulf den kleinen Knut damit beauftragt, die Augen offenzuhalten, erinnert das an Stephen Kings „Hearts In Atlantis“, die Liebesgeschichte im Umfeld der Læstadianer an Peter Weirs „Der einzige Zeuge“.
„Das Versteck“ überzeugt eher als atmosphärisch stimmige psychologische Studie denn als knackiger Thriller, wartet aber immerhin mit einer interessanten Wendung auf.
Leseprobe Jo Nesbø - "Blood On Snow: Das Versteck"
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