Henning Mankell – (Kurt Wallander: 2) „Hunde von Riga“

Sonntag, 2. Februar 2020

(Zsolnay, 334 S., HC)
Im Februar 1991 erhält das Polizeipräsidium von Ystad einen anonymen Hinweis, dass vor der schonischen Ostseeküste ein Rettungsboot mit zwei toten Männern an Land treiben würde, das wenig später tatsächlich von einer Frau beim Hundespaziergang bei Mossby Strand entdeckt wird. Da es sich bei den jeweils mit einem Schuss ins Herz getöteten, zuvor brutal gefolterten um Letten handelt, bittet die schwedische Polizei die lettischen Behörden um Mithilfe. Ein hinzugezogener Kapitän identifiziert das nicht gekennzeichnete Rettungsboot als ein Produkt jugoslawischer Herkunft, dessen Typ er auf einmal auf einem russischen Fischerboot gesehen habe. Der mit den Ermittlungen betraute Kommissar Kurt Wallander erfährt bei dem Treffen mit einem anonymen Zeugen, dass das Boot offensichtlich schon längere Zeit auf dem Wasser getrieben sei und aus dem Baltikum stamme. Wallanders Team bekommt nicht nur Unterstützung von zwei Kollegen aus Stockholm, sondern vom Außenministerium auch Birgitta Törn zur Beobachtung entsandt.
Über Moskau wird schließlich die lettische Polizei informiert, die mit Major Karlis Liepa einen hohen Ermittlungsbeamten aus Riga nach Ystad schickt. Doch als das Rettungsboot aus dem Keller des Präsidiums gestohlen wird, gibt es für Liepa nichts weiter zu tun. Kurz nach seiner Rückkehr nach Riga wird Liepa jedoch ermordet und Wallander von der Polizei dort eingeladen, an der Aufklärung des Mordes mitzuwirken.
Liepas Vorgesetzten, die beiden Polizei-Obersten Murniers und Putnis, scheinen den Fall schnell aufgeklärt zu haben, können sie doch einen geständigen Mann vorweisen. Doch nicht nur Wallanders Instinkt sagt ihm, dass an der Sache etwas faul sein muss, auch Liepas Witwe Baiba ist überzeugt, dass ihr Mann einer gewaltigen Verschwörung auf die Spur gekommen sein muss, in die die restaurative Sowjetpolitik, die russische Mafia und die korrupte Polizei involviert ist. Wallander wird wieder nach Schweden zurückgeschickt, verspricht Baiba, in die er sich mittlerweile verliebt zu haben glaubt, dass er mit einer gefälschten Identität zurückkommen wird, um das irgendwo versteckte Testament ihres Mannes aufzuspüren. Dazu nehmen sie die Hilfe der lettischen Untergrundbewegung in Anspruch, doch kann jede Vorsicht nicht verhindern, dass Wallanders Begegnung mit Baiba nicht unbemerkt bleibt. Wallander ist überzeugt, dass entweder Murniers oder Putnis für Major Liepas Ermordung verantwortlich gewesen sein muss …
„Ich suche nach dem Wächter, und das muss Baiba Liepa erfahren. Irgendwo verbirgt sich ein Geheimnis, das nicht verloren gehen darf. So geschickt versteckt, dass es nur von ihr gefunden und gedeutet werden kann. Denn ihr hat er vertraut, sie war in einer Welt, in der alle anderen gefallene Engel waren, der Schutzengel des Majors.“ (S. 218) 
Mit dem 1992 veröffentlichten zweiten Band um den nun 43-jährigen schwedischen Kleinstadt-Kommissar Kurt Wallander hat der schwedische Bestseller-Autor Henning Mankell die schwierige Loslösung der baltischen Sowjetrepubliken Anfang der 1990er Jahre zum Parkett für seine außergewöhnliche Story gemacht. Durch das Antreiben der zwei lettischen Leichen an der schonischen Küste wird Wallander direkt in den Kampf um die politische Vorherrschaft in Lettland hineingezogen, wo die korrupten Bewahrer des sozialistischen Systems auf die demokratisch orientierten Erneuerer treffen. Mankell gelingt es einmal mehr, seinen Protagonisten auf sympathische Weise zu charakterisieren, wozu die seltenen Treffen mit seinem Vater zählen, der es seinem Sohn nie verziehen hat, Polizist geworden zu sein, die ebenso seltenen Telefonate mit seiner Tochter Linda, die längst ihr eigenes Leben lebt, aber auch die Frage, ob er seinen Beruf nicht an den Nagel hängen und stattdessen beim Sicherheitsdienst einer großen Reifenfirma anheuern sollte. Mankell zeichnet Wallander als Menschen aus Fleisch und Blut, als einfühlsamen Polizisten, der sich in eine jüngere Frau aus einem ihm gänzlich fremden Land verliebt, weil sie ihn braucht, um das Testament ihres ermordeten Mannes zu finden und damit die von ihm aufgedeckte Verschwörung zu entlarven.
„Hunde von Riga“ besticht in der atmosphärisch stimmigen, wenn auch bedrückenden Beschreibung der schwierigen gesellschaftspolitischen Übergangssituation in Lettland, in der es schwierig zu entscheiden war, wer zu dem restriktive und wer zu dem fortschrittlichen Lager zählt – was oft den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen konnte. In dieses düstere Szenario hat Mankell einen packenden Krimi-Plot gepackt, der den Leser bis zum Epilog zu fesseln versteht.

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