Jens Henrik Jensen – (Oxen: 4) „Lupus“

Sonntag, 15. März 2020

(dtv, 608 S., Pb.)
Nachdem der ehemalige, mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnete Elite-Soldat Niels Oxen zusammen dem ehemaligen PET-Geheimdienstchef Axel Mossman, dessen Neffen Christian Sonne und dessen Mitarbeiterin Margarethe Franck dabei half, den mächtigen Geheimbund Danehof zu zerschlagen, will sich Oxen zunächst um eine Annäherung zu seinem 14-jährigen Sohn Magnus kümmern, doch die gemeinsamen Besuche im Kopenhagener Zoo an den Wochenenden tragen nicht wirklich dazu bei. Auch seine regelmäßigen Termine bei einer Psychologin im Veteranenzentrum der Armee schaffen keine Abhilfe gegen Oxens Unwillen, Veranstaltungen mit größerem Menschenaufkommen zu besuchen, und andere Folgen seiner posttraumatischen Belastungsstörung. Eines Tages kommt Mossman zu Besuch, der jetzt einer eigenen Kommission vorsitzt und bei der Durchforstung der Danehof-Archive auf weiteres Unheil gestoßen ist, das sich zwar erst als undeutlicher Schatten abzeichnet, aber der anglizistisch veranlagte Mossman würde seinen „black knight in shining armour“ gern nach Jütland schicken, um auf einem abgelegenen Bauernhof einige Voruntersuchungen anzustellen.
Er macht Oxen den Ausflug nach Harrildholm mit der Aussicht schmackhaft, dass er auf dem Weg dahin auch das Haus in Brande besuchen könnte, wo er einst bei der Fischzucht gearbeitet hatte, um mit diesem Kapitel seiner Vergangenheit abschließen zu können. Trotz seiner Absicht, nicht mehr für Mossman arbeiten zu wollen, ist Oxen nicht abgeneigt, nach dem vermissten Poul Hansen in der Harrilder Heide zu suchen, zumal in der Gegend nach zweihundert Jahren wieder Wölfe gesichtet worden sind, die Oxen schon immer fasziniert haben. Sein Sohn, der er mitgenommen hat, wird bei der ersten Besichtigung des Hofes Zeuge, wie sein Vater einen Einbrecher ausschaltet, und wenig später überschlagen sich die Ereignisse, bei denen Mossman und Oxen einer Organisation namens Lupus auf die Spur kommen, die die Justiz immer dann selbst in die Hand nimmt, wenn die staatliche Rechtsprechung zu versagen scheint. Und die Hinweise führen auch zwölf Jahre zurück, als Margarethe Franck nach einem Banküberfall den vermeintlichen Fahrer des Fluchtwagens erschoss und dabei ihr Bein verlor …
„Dort draußen waren Schatten. Schatten, die Risiken eingingen. Lupus-Schatten, die bis in Mossmans Anfangsjahre zurückreichten, vage Spuren eines feuchtfröhlichen Sommerabends unter Polizisten, auf einem Gartenfest in Roskilde … Und Jahre später auf einer Geburtstagsfeier im Søpavillon. Schatten, deren Existenz nur durch einen kleinen Fetzen Papier in den Hinterlassenschaften eines ehemaligen PET-Chefs angedeutet wurde, auf dem ein Millionenbetrag notiert worden war.“ (S. 298) 
Jens Henrik Jensen hat viele Jahre lang als Journalist in seiner dänischen Heimat gearbeitet und 1997 seinen Debütroman „Wienerringen“ veröffentlicht, bevor er sich seit 2015 ganz auf das Schreiben von Büchern verlegte. Mit seiner zwischen 2012 und 2016 erschienenen Trilogie um den hochdekorierten Ex-Jäger-Soldaten Niels Oxen hat Jensen schließlich auch international die Bestseller-Listen gestürmt und verständlicherweise weiterhin Lust gehabt, die Geschichte um seinen interessanten Protagonisten weiterzuerzählen.
Auch wenn der mächtige Danehof durch das beherzte Zusammenwirken von Mossman, Franck, Oxen und Sonne demaskiert und zerstört werden konnte, sind die staatsfeindlichen Kräfte in Dänemark natürlich nicht ausgemerzt. Der „Lupus“-Fall vereint nicht nur die Faszination für die in die Harrilder Heide zurückgekehrten Wölfe mit der nach dem Canis Lupus benannten Organisation, sondern versucht zumindest ansatzweise die persönliche Entwicklung des traumatisierten Ex-Elitesoldaten zu charakterisieren. Allerdings belässt es Jensen hier bei unbefriedigenden Ansätzen und konzentriert sich schnell auf die zunehmend komplexer werdenden Ereignisse auf dem verlassenen, aber von Kameras überwachten Hof in Mitteljütland. Hier erweist sich einmal mehr die Stärke des Autors. Während seine Figuren zwar an sich interessant sind, aber kaum tiefergehend charakterisiert werden, versteht er es meisterhaft, verschiedene zunächst unabhängig voneinander beobachtete Ereignisse nach und nach miteinander zu vernetzen. Mossman bleibt dabei so undurchsichtig wie eh und je, wobei seine ständig eingeworfenen Anglizismen auch schon nerven. Am meisten gewinnt noch Margarethe Franck an Profil, wenn die Ereignisse rekapituliert werden, unter denen sie ihr Bein verlor.
Spannung generiert „Lupus“ aber vor allem aus den wieder bis in die höchsten Polizeidienststellen reichenden Verwicklungen, die in professionell ausgeführten Selbstjustiz-Aktionen münden. Jens Henrik Jensen versteht es dabei, gesellschaftspolitisch relevante Themen fundiert aufzuarbeiten – wobei ihm sein journalistischer Hintergrund sicherlich förderlich ist – und diese in packende Thriller-Unterhaltung zu verpacken. An der Konturierung und Entwicklung seiner Figuren sollte Jensen aber noch arbeiten.
Leseprobe Jens Henrik Jensen "Lupus"

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