(HarperCollins, 448 S., Pb.)
Vor über 20 Jahren veröffentlichte der US-amerikanische Schriftsteller Daniel Silva mit „Der Auftraggeber“ seinen ersten Thriller um den israelischen Kunstrestaurator und Geheimagenten Gabriel Allon. Mittlerweile ist Silva bei Band 21 seiner Spionage-Thriller-Reihe angelangt, in der Allon nicht nur in die Jahre gekommen ist, sondern längst zum Geheimdienstchef aufgestiegen ist. Für „Die Cellistin“ verarbeitet Silva nicht nur den Sturm auf das Capitol und den damit verbundenen Angriff auf die Demokratie an sich, sondern nimmt auch die Methoden russischer Oligarchen unter die Lupe, wie sie im Zuge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine aufgedeckt wurden.
Einst war Wiktor Orlov durch den Import von Computern und anderen Westwaren erst zu Wohlstand gekommen, dann durch den Kauf von Russlands größtem Stahlkonzern und dem sibirischen Ölriesen Rusoil zum reichsten Mann in Russland geworden. Doch durch sein Milliardenvermögen hat sich Orlov allerdings auch viele Feinde gemacht und mindestens drei Attentate überlebt.
Nun kämpft er seit einigen Jahren im Londoner Exil gegen die Kleptokraten, die mittlerweile die Kontrolle über den Kreml an sich gerissen haben, vor allem über die Zeitungen wie der „Financial Times“ und der kremlkritischen Wochenzeitschrift „Moskowskaja Gaseta“. Als er eines Abends vergiftet in seiner Wohnung aufgefunden wird, gerät zunächst die 42-jährige Journalistin Nina Antonowa ins Visier der geheimdienstlichen Ermittlungen. Aus ihrem Zürcher Exil heraus hatte sie bereits zahlreiche Fälle von Korruption im inneren Kreis des russischen Präsidenten aufgedeckt und Orlov am Abend seines Todes noch einen Stapel mit Dokumenten überreicht.
Als Gabriel Allon, Chef des israelischen Geheimdienstes, vom Tod seines Freundes erfährt, initiiert er eine waghalsige Operation, die vor allem dazu dient, den schwerreichen Arkadi Akimow auszuschalten, der über die im Schweizer Handelsregister eingetragene Haydn Group SA vor allem politische Kriegsführung, Desinformation, Subversion sowie die Ermordung von Führern der Demokratiebewegung betreibt. Als Köder dient ihm die Deutsche Isabel Brenner, die nicht nur eine hervorragende Cellistin ist, sondern auch eine leitende Angestellte der RhineBank-Filiale in Zürich, die als „russischer Waschsalon“ vor allem schmutziges russisches Geld für Investitionen in westlichen Luxus-Immobilien verwendet.
„Gabriel brauchte eine wirkliche Attraktion, eine internationale Berühmtheit, deren Anwesenheit die Schweizer Großfinanz in Scharen anlocken würde. Und er brauchte einen Financier, der es übernahm, den Abend auf seine Kosten auszurichten – einen Tugendbold, der für sein Engagement für Themen vom Klimawandel bis hin zum Schuldenerlass für die Dritte Welt bekannt war. Einen Mann von der Sorte, die Arkadi liebend gern mit schmutzigem russischem Geld korrumpieren würde.“ (S. 183)
Als es Isabel gelingt, sogar zu einer Silvesterparty eingeladen zu werden, zu der auch der russische Präsident eingeladen wird, hat sie Akimov schon längst dazu gebracht, seine Milliarden in Projekte zu investieren, von denen er nie etwas haben wird, doch durch einen Verräter wird ihre Rolle in dem Plan durchschaut…
Auch wenn sich Daniel Silva mit seinem Protagonisten Gabriel Allon in den Gefilden von James Bond und Jason Bourne bewegt, sind seine Romane weit weniger actionreich ausgefallen, sondern spielen sich eher raffiniert im Hintergrund ab, so wie man es von Geheimdienstarbeit eigentlich auch erwartet. Silva gelingt dabei das Kunststück, selbst komplexe Sachverhalte wie Geldwäsche und dubiose Investitionen so in die Geschichte einzubetten, dass es die Zusammenhänge erklärt, ohne die Dramaturgie zu vernachlässigen.
Mit „Die Cellistin“ bewegt sich Silva zudem nah am aktuellen Zeitgeschehen. Die Einschränkungen durch die Corona-Epidemie werden hier ebenso thematisiert wie die bedenklichen antidemokratischen Bewegungen in den USA im Zuge der Amtseinführung von Präsident Joe Biden im Januar 2021 und die raffinierten Methoden, mit denen russische Oligarchen ihr durch Korruption angeeignetes Geld im Westen „reinwaschen“ lassen.
Vor diesem Hintergrund entwickelt Silva einen wirklich flotten Plot mit interessanten Schauplätzen und Figuren. Auch wenn sich die Geschichte letztlich doch recht vorhersehbar entwickelt und der große Überraschungseffekt ausbleibt, bietet „Die Cellistin“ packende Thriller-Unterhaltung von einem Routinier des Genres.
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