(Goldmann, 478 S., Tb.)
Dan Simmons hat sich seit Mitte der 1980er Jahre mit preisgekrönten Horror-Romane („Göttin des Todes“, „Kraft des Bösen“, „Sommer der Nacht“) und Science-Fiction-Epen („Hyperion“, „Die Feuer von Eden“) weltweit einen Namen gemacht. Ende der 1990er Jahre begann der US-amerikanische Bestseller-Autor, sich auch in anderen Genres zu versuchen. Neben der hierzulande kaum bekannten Thriller-Reihe um den Privatdetektiv Joe Kurtz erschien nach Simmons‘ sehr gutem Thriller-Debüt „Fiesta in Havanna“ mit „Das Schlangenhaupt“ ein weiterer gelungener Roman, in dem der Autor vor allem seinen Sinn für ungewöhnliche Settings unter Beweis stellte.
Dr. Dar(win) Minor ist ein Spezialist für die Rekonstruktion von Unfallursachen in Kalifornien und wird von seinem Chef Lawrence Steward vor allem immer dann zu Unfällen hinzugezogen, bei denen sich die Polizei vor Ort überhaupt keinen Reim auf den Unfallhergang machen kann bzw. wenn der Verdacht besteht, dass Unfälle vorgetäuscht wurden, um Versicherungen zu betrügen. Dar befindet sich nach einer Unfallbegutachtung mit seinem Acura NSX wieder auf dem Heimweg außerhalb von San Diego, als er auf dem Highway 15 von einem Mercedes E 340 mit abgedunkelten Scheiben bedrängt wird, bevor das Feuer auf ihn eröffnet wird.
Dar gelingt es nicht nur, die Schüsse unbeschadet zu überstehen, sondern mit seinem Rennwagen die Verfolgung aufzunehmen und den Mercedes mit seinen beiden Insassen in eine Schlucht stürzen zu lassen. Die Identifizierung der beiden Leichen ergibt, dass es sich um russische Auftragskiller handelte, die offenbar in Verbindung mit organisiert angelegten Versicherungsbetrügen stehen, in denen eine Sonderheit aus FBI, LAPD, San Diego Police Department, California Highway Patrol und anderen Organisationen ermittelt.
Um herauszufinden, wer für das Attentat auf Dar verantwortlich ist, soll Dar Teil der Sondereinheit werden, außerdem wird er persönlich von Sydney Olson, der attraktiven Chefermittlerin des Generalstaatsanwalts, bewacht.
Während sich Dar und Syd allmählich näherkommen, entdecken sie eine Verbindung der Killer zum prominenten Anwalt Dallas Trace…
„Dar wusste, dass unter allen Soldaten dieser Erde allein Sniper darauf trainiert waren, Gegner zu belauern. Marines und Army-Infanteristen mochten in kleinen Einheiten andere kleine Einheiten oder sogar einen einzelnen Feind belauern, aber allein der Sniper war dafür ausgebildet, mit List und Tücke aus dem Hinterhalt auf weite Entfernung einen bestimmten Menschen zu töten. Und ganz oben auf der Liste eines Scharfschützen stand stets sein gefährlichster Gegner: der feindliche Scharfschütze.“ (S. 427)
Dan Simmons ist mit „Darwin’s Blade“, so der Originaltitel, ein vor allem thematisch interessanter Thriller mit einem charismatischen Protagonisten gelungen. Wie Simmons immer wieder die ungewöhnlichsten Unfälle beschreibt, die der promovierte Physiker zu bearbeiten hat, zaubert dem Leser immer wieder ein Schmunzeln ins Gesicht, doch übertreibt es der Autor gelegentlich mit den wissenschaftlichen Hintergründen und Berechnungen mit mathematischen Formeln, was dem Lesefluss gelegentlich abträglich ist.
Das trifft auch auf die übertriebenen und völlig unglaubwürdigen Action-Sequenzen zu. Nachdem Simmons sich so viel Mühe gegeben hat, realistische Szenarien und gut charakterisierte Figuren zu etablieren, driftet er mit seinen wilden Verfolgungsjagden in die Gefilde von James-Bond- und Jason-Bourne-Thrillern ab.
Doch von diesen Schwächen abgesehen bietet „Das Schlangenhaupt“ Hochspannung pur, wobei der ausführliche Rückblick auf Dars Ausbildung zum Scharfschützen die Tiefe seiner Figur noch unterstreicht. Besonders interessant ausgestaltet ist das nicht immer einfache Verhältnis zwischen dem eigensinnigen Physiker (mit seiner Leidenschaft für schnelle Autos und Segelflieger) und seinem weiblichen „Bodyguard“.
Wie gut die beiden am Ende miteinander harmonieren, wird bei dem faszinierenden Showdown deutlich, der an Annauds Drama „Duell – Enemy at the Gates“ erinnert und in bester Western-Manier ausgestaltet ist.
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