(Knaur, 508 S., Tb.)
Nachdem Robert R. McCammon mit „Baal“, „Höllenritt“, „Tauchstation“, „Blutdurstig“, „Wandernde Seelen“, „Das Haus Usher“ und „Nach dem Ende der Welt“ etliche Topoi des Horror-Genres verarbeitet hatte, legte er 1988 mit „Stinger“ einen Roman vor, der sich als interessante Variante des Besuchs von Außerirdischen auf der Erde entpuppte. 1989 erschien die deutsche Übersetzung als „Die schwarze Pyramide“ wie alle McCammon-Romane im Knaur-Verlag.
Das irgendwo in der texanischen Wüste liegende Kaff Inferno wird von zwei rivalisierenden Gangs dominiert. Auf der einen Seite treiben die Renegades ihr Unwesen. Zu ihnen zählt auch der achtzehnjährige Cody Lockett, dessen nichtsnutziger Vater Curt sich ganz dem Alkohol verschrieben hat. In Bordertown, dem südlich der Snake-River-Brücke gelegenen mexikanischen Viertel der dahinsiechenden Stadt, regieren die Culebra de Cascabel, die Rattlers.
Cody wird ebenso Zeuge der seltsamen Ereignisse am Morgen wie die Tierärztin Jessie Hammond, ihr siebenunddreißigjähriger Mann Tom, der als Sozialkundelehrer an der Preston High School arbeitet, und ihre gemeinsame Tochter Stevie. Als Jessie mit Stevie zu einer Hacienda fährt, beobachtet sie Hintergrund einer Kupfermine, wie ein zylinderförmiges, rotglühendes, von Flammen umgebendes Objekt auf sie zugeflogen kommt. Nachdem das hintere Teil des Objekts explodiert ist, wird auch Jessies Wagen von den in alle Richtungen fliegenden Trümmern getroffen.
Danach ist nicht nur Inferno nicht mehr wiederzuerkennen. Stevie, die eine merkwürdig aussehende, in der Konsistenz undefinierbare Kugel an sich nimmt, wird von einem außerirdischen Wesen in Besitz genommen, das sich Daufin nennt und in kürzester Zeit durch Lexika die amerikanische Sprache aneignet und Infernos Bewohner darauf aufmerksam macht, dass ein mächtiger Feind aus dem All, der sogenannte „Stinger“, auf der Suche nach ihr sei.
Die Kreatur ist mit einem Raumschiff in der Form einer schwarzen Pyramide in Inferno gelandet und hat ein Energienetz um die Stadt gelegt, das niemanden aus der Stadt heraus- und in sie hineinlässt. Mit der Hilfe des bereits vor Ort befindlichen Militärs und einiger tapferer Einwohner versucht Daufin, Stinger das Handwerk zu legen. Dabei ziehen erstmals die verfeindeten Gangs an einem Strang, und Rick von den Rattlers versucht, seine Schwester Miranda, in die sich Cody verguckt hat, aus den Fängen des Ungeheuers zu retten.
„Er sah zwar Feuer auf der Brücke, hatte aber keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen; stattdessen kletterte er über den Zaun, rutschte eine rote Böschung hinunter und blieb in dem schlammigen Wasserrinnsal liegen. Hinter sich konnte er die Häuser splitternd und krachend auseinanderfliegen hören. Noch ein, zwei Minuten, dann hatte das Wesen es geschafft; es würde durchbrechen und über den Fluss kommen.“ (S. 424)
Zwei außerirdische Wesen, die in einem dem Untergang geweihten Kaff mit dem treffenden Namen Inferno einen ungleichen Kampf um Leben und Tod abfackeln, dient McCammon in seinem Horror-Roman als Ausgangspunkt für einen actionreichen Plot, der seinen Fokus vor allem auf die Beschreibung detaillierter Brutalität bei Stingers Suche nach dem außerirdischen Ausreißer legt. Zwar stellt der Autor zu Beginn eine Menge interessanter Charaktere vor, doch mehr als eine kurze Vita der Hammonds, der Witwe der Preston-Kupfermine, des in kriminelle Machenschaften verwickelten Unternehmers Mack Cade, der auch Sheriff Vance auf seiner Gehaltsliste stehen hat, und der Vater-Sohn-Beziehung von Curt und Cody, bietet er nicht an. Selbst die Rivalität zwischen Rick und Cody sowie ihre gemeinsame Sorge um Ricks Schwester Miranda wird nur oberflächlich abgehandelt. Dieses Vorgehen verhindert, dass McCammons Publikum wirklich tief in die Geschichte eintauchen kann und nur wenig Empathie für das Schicksal der Stadt und ihrer Einwohner aufbringt.
„Die schwarze Pyramide“ verschenkt so leider einen Großteil seines Potenzials und gefällt vor allem durch McCammons sprachliche Gewandtheit.