Don Winslow – (Neal Carey: 5) – „Palm Desert“

Dienstag, 27. Februar 2024

(Suhrkamp, 195 S., Tb.) 
Eigentlich fühlte sich Neal Carey nach seinem letzten verpatzten Einsatz von der „Friends of the Family“, für die ihn sein zwergwüchsiger, einarmiger Ziehvater Joe Graham als Privatermittler für äußerst prominente Kunden ausgebildet und durch die er sein Studium finanziert hatte, aus dem Dienst entlassen. So kann er sich voll auf seinen Studienabschluss an der Columbia Universität konzentrieren und sich den Hochzeitsvorbereitungen widmen, die vor allem seine Freundin Karen umtreiben. 
Ihr gemeinsames Sexleben steht nun auch unter dem Vorzeichen von Karens deutlich artikulierten Kinderwunsch. Neal mag sich mit dem Thema noch nicht so recht anfreunden, was offensichtlich der Tatsache geschuldet ist, dass seine Mutter eine Prostituierte gewesen ist und er seinen Vater nie kennengelernt hat. Als Joe Neal darum bittet, den betagten Komiker Nathan „Natty Silver“ Silverstein aus einer Hotelsuite im sechs Stunden entfernten Las Vegas abzuholen und ihn nach Hause nach Palm Springs zu bringen, sagt Neal auch deshalb zu, um so für eine kurze Zeit den Diskussionen mit seiner ralligen Freundin um den Nachwuchs zu entgehen. 
Natürlich entpuppt sich der der Auftrag dann doch – Überraschung, Überraschung! – als sehr kompliziert. Denn schon an der Hotelbar verliert Neal seine Zielperson, als dieser mit Hope White eine alte Freundin wiedertrifft, mit der der alte geile Bock auf sein Zimmer verschwindet. So verpassen Neal und Natty erst den geplanten Flug um vier Uhr, bevor Neal am nächsten Tag frustriert feststellen muss, dass Natty nicht in den Flieger steigen will und sie den Weg nach Palm Springs mit einem Mietwagen zurücklegen müssen. Doch unterwegs werden Neal und Natty von Nattys ehemaligen Nachbarn Heinz und Sami entführt, was Neal vor Augen führt, dass hinter Nattys absichtlich verzögerter Heimkehr mehr stecken muss als angenommen… 
„Zunächst konzentrierte ich mich auf die Fakten. Heinz war unterwegs hierher, und er hatte eine Pistole. Wahrscheinlich glaubte er, wir seien bereits tot, und er würde nur Sami abholen. Also mussten wir uns verstecken, Sami als Köder vorschicken und dann schneller ziehen als Heinz. Oh Gott, hab ich wirklich gerade gesagt ,schneller ziehen‘? Ihn jedenfalls unschädlich machen, bevor er mitbekam, dass wir gar nicht tot waren. Eigentlich ganz einfach, oder? Was konnte da schon schiefgehen?“ (S. 163) 
Nach vielversprechendem Beginn mit den ersten beiden Romanen der Neal-Carey-Reihe, „London Undercover“ und „China Girl“, die Anfang der 1990er Jahre gleichzeitig den Beginn von Don Winslows Schriftsteller-Karriere markierten, ließ die fünf Bände umfassende Reihe nicht nur an Umfang merklich nach, sondern auch in qualitativer Hinsicht. 
Nach den 300 eher wirr überkonstruierten und krampfhaft auf humorvoll getrimmten Seiten von „A Long Walk Up the Water Slide“ bilden die 200 Seiten von „Palm Desert“ den Abschluss der Reihe um den freiberuflichen Privatermittler, der seinen vermeintlich kinderleichten Aufträgen nie gewachsen ist. 
Don Winslow, der sich in der Folgezeit mit harten Thrillern wie „Zeit des Zorns“, „Tage der Toten“ und „Das Kartell“ als einer der besten Genre-Vertreter etablierte, hat für den Abschluss seiner Neal-Carey-Reihe nicht mal eine vernünftige Story parat. Sie wirkt wie ein müder Abklatsch von Martin Brests „Midnight Run“ mit Robert De Niro und Charles Grodin in den Hauptrollen, nur dass „Palm Desert“ eben überhaupt nicht witzig ist. 
Von ein paar netten Jokes abgesehen gibt nämlich der notgeile Altkomiker Natty Silver immer wieder flache Witze zum Besten, bis durch einen eingeschobenen Briefwechsel zwischen einem Anwalt und einer Versicherungsgesellschaft überhaupt herauskommt, warum Heinz und Sami den früheren Varieté-Künstler in ihre Gewalt bringen wollen. Bis dahin ist das Interesse an der ideenlosen Geschichte aber schon verflogen, und am Ende ist man froh, dass die aus der Ich-Perspektive von Karen und Neal erzählte Story nach 200 Seiten endlich vorbei ist.  

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