New York im Jahr 1878. Der schwerhörige Erfinder Thomas Alva Edison arbeitet im Alter von 32 Jahren an der Erfindung der Glühbirne. Als der berühmte Bankier John Pierpont Morgan – der von der Times sogar als „Napoleon der Wall Street“ bezeichnet wird - im Dezember in der New York Times vom Triumph des großen Erfinders liest, sieht er bereits das große Geschäft vor Augen, das die Elektrifizierung der Stadt verspricht.
Doch das Projekt ist noch weit davon entfernt, in die Praxis umgesetzt zu werden, denn bislang hält die Leuchtkraft einer Birne nur für zwei Stunden an. Edison schickt einen Mann auf der Suche nach dem idealen Glühfaden durch die ganze Welt, hat aber auch mit dem hartnäckigen Konkurrenten Nikola Tesla zu kämpfen, der bei jeder Gelegenheit öffentlich proklamiert, dass sein Wechselstrom viel besser sei als der von Edison bevorzugte Gleichstrom.
Was Edison aber wirklich entsetzt, ist die Tatsache, dass sein Stromkonzept auch zur humaneren Hinrichtung von Menschen eingesetzt werden soll …
„Er dachte an die Ketzer der Wissenschaft im Laufe der Geschichte, verurteilt für Ansichten oder Entdeckungen, die als Verbrechen galten, Leute, die sich weigerten, zu widerrufen oder zu leugnen. Jetzt spürte er deutlich, was für einen Preis solche Leute für ihre Tapferkeit und Aufrichtigkeit bezahlt hatten. Und wie stand er im Vergleich zu solchen Männern da? Wer war er im Vergleich zu einem Galileo oder Giordano Bruno?“ (S. 272)Der neuseeländische Autor Anthony McCarten, der durch das Theaterstück bzw. das Drehbuch zum (unautorisierten) Film „The Full Monty – Ganz oder gar nicht“ und international bekannt geworden ist, hat auch mit seinen Romanen „Englischer Harem“, „funny girl“ oder „Liebe am anderen Ende der Welt“ weltweit Publikum und Kritiker begeistern können.
Auch der 2012 erschienene Roman „Brilliance“ ist 2010 zunächst als Theaterstück konzipiert gewesen, bevor er jetzt bei Diogenes unter dem Titel „Licht“ in deutscher Übersetzung erscheint. Auf den Ausführungen von Edisons Biografen und Historikern basierend schildert der Roman das beschwerliche Leben eines großen Mannes, der mit seinen Erfindungen stets das Leben der Menschen erleichtern wollte, aber nicht zuletzt durch den teuflischen Pakt mit dem Finanzier J. P. Morgan mit zunehmenden Alter erkennen musste, dass seine Erfindungen ein Eigenleben entwickelten, dem er nichts entgegenzusetzen hatte.
Wie in seinen vorangegangenen Werken erweist sich McCarten in „Licht“ einmal mehr als sehr Erzähler außergewöhnlicher Schicksale. Zwar könnte er bei der Charakterisierung seiner Figuren, die sich bei „Licht“ nahezu auf Edison und Morgan beschränkt, noch mehr in die Tiefe gehen und auch den Interessenkonflikt zwischen den beiden Männern deutlicher herausarbeiten, aber bei aller knackiger Dramaturgie wird doch deutlich, wie sehr Edisons Herzensangelegenheiten (vor allem seine beiden Ehen) und vor allem sein Gewissen unter der gnadenlosen Kommerzialisierung seiner Erfindungen leiden.
Auf der anderen Seite wird gerade im Finale sehr pointiert herausgestellt, wie die skrupellosen Geschäftsinteressen mächtiger Bankiers die Geschicke der Welt leiten.
McCarten präsentiert mit „Licht“ die etwas andere, leicht zu konsumierende Biografie eines außergewöhnlichen Mannes, der unter dem Druck der übermächtigen Geschäftswelt zusammenbricht.
Leseprobe Anthony McCarten - "Licht"
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