Bevor Paul Auster mit seiner experimentellen Krimi-Trilogie „Die New-York-Trilogie“ weltweit für Aufsehen sorgte, veröffentlichte er bereits einige Lyrik-Bände und auch das aus zwei Essays bestehende Buch „Die Erfindung der Einsamkeit“, mit dem der Autor vor allem den Tod seines Vaters verarbeitet und dabei ausführlich Themen wie Erinnerung, Einsamkeit, Leben und Tod und Zufall beleuchtet.
In „Portrait eines Unsichtbaren“ versucht Auster den Spuren seines Vaters zu folgen, den er Zeit seines Lebens eigentlich nicht gekannt, der sich seinem Sohn immer irgendwie entzogen hat. Drei Wochen nach dem plötzlichen Tod seines Vaters beginnt Auster, seine Erinnerungen niederzuschreiben, beginnend mit der telefonischen Nachricht, die ihn an einem Sonntagmorgen um 8 Uhr erreichte, der dreistündigen Fahrt nach New Jersey, dem Wissen, dass er über seinen Vater schreiben müsse. Was Auster dabei rückblickend irritiert, ist die Erkenntnis, dass sein Vater keine Spuren hinterlassen hatte, weder Frau noch Familie, die auf ihn angewiesen wäre.
„Seine Lebensweise hatte die Welt auf seinen Tod vorbereitet – war eine Art vorweggenommener Tod gewesen -, und falls und wenn man sich seiner erinnerte, dann nur undeutlich, allenfalls undeutlich.“ (S. 13)Er empfand keine Leidenschaft und war eigentlich unsichtbar, für andere ebenso wie für sich selbst wahrscheinlich auch. Nachdem Auster ständig versucht hatte, den abwesenden Vater zu finden, glaubt er, ihn auch nach dessen Tod suchen zu müssen. In den Schubladen der Schränke in dem Haus, das der Vater kurz vor seinem Tod noch verkauft hatte, stößt Auster auf Dinge, die er zwar nicht sehen oder wissen will, die aber nichtsdestotrotz für ihn Überbleibsel von Gedanken und Bewusstsein und Entscheidungen darstellen, darunter auch Schnappschüsse von den Flitterwochen seiner Eltern, ein Aktenschrank voller ungültiger Schecks aus dem Jahr 1953. Auster räumt das Haus für den künftigen Besitzer und ist als Möbelhändler, Spediteur und Überbringer schlechter Nachrichten tätig. Wie der Zufall es will, stößt Auster bei seinen Nachforschungen auf die Geschichte, wie sein Großvater Harry von dessen Ehefrau erschossen wurde. Am Ende eignet sich Auster zwar einige Gegenstände seines Vaters an, doch erzeugen auch sie nur die Illusion, mit seinem Vater vertraut zu sein, hat dieser doch nichts mehr damit zu tun. Und so bleibt dem Autor nur eins, nämlich über das Sterben nachzudenken und die Erinnerung an die Toten lebendig zu halten.
In „Das Buch der Erinnerung“ bezeichnet sich Auster kurz als A. und beginnt in der dritten Person über seine Arbeit als Übersetzer von französischen Autoren wie Blanchot und Mallarmé zu schreiben, über klassische Erinnerungstechniken, es folgen durchnummerierte Bücher der Erinnerung, in denen er beispielsweise über Heiligabend 1979 schreibt, über die karge Einrichtung seiner Wohnung, das Schnarchen seines Nachbarn.
Um in dieser Umgebung Frieden zu finden, muss er sich tiefer in sich selbst vergraben, aber je mehr er gräbt, umso mehr braucht er sich selbst auf. Interessant sind vor allem die Überlegungen zur Einsamkeit in Zusammenhang mit Jonas Aufenthalt im Wal und parallel dazu der von Gepetto im Bauch des Haifischs und die Frage, ob man seinen Vater retten muss, um ein richtiger Junge werden zu können. Weitere Exkurse führen zu Emily Dickinson, über die Natur des Zufalls, wie er als Übersetzer Worte zu anderen Worten werden und in seinem Innern ein unermessliches Babel entstehen lässt.
Auster äußert in „Die Erfindung der Einsamkeit“ kluge Gedanken zu Themen, die seinen Lesern auch in den meisten der späteren Werke immer wiederbegegnen. Wie er dabei mit Ideen und Worten jongliert, Zufall und Sinn miteinander verknüpft, ist nicht immer leicht nachzuvollziehen, regt aber stets zum Nachsinnen an.
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