Stephen King – „Carrie“

Montag, 25. Mai 2020

(Weltbild, 288 S., HC)
Seit ihr Vater auf einer Baustelle ums Leben gekommen ist, lebt die 16-jährige Carietta „Carrie“ White mit ihrer allein erziehenden, fanatisch religiösen Mutter in der Carlin Street in der Kleinstadt Chamberlain. Bereits im zarten Alter von drei Jahren ließ sie per Telekinese einen Steinregen auf das Dach ihres Elternhauses regnen, als ihr ihre Mutter im religiösen Wahn die Augen herausschneiden wollte. Seither ist es nicht zu weiteren unerklärlichen Zwischenfällen dieser Art gekommen, noch hat jemand geahnt, dass Carrie über telekinetische Kräfte verfügen würde. Als Carrie jedoch ausgerechnet in der schulischen Gemeinschaftsdusche erstmals ihre Periode bekommt, ohne zuvor aufgeklärt worden zu sein, wird sie von ihren Mitschülerinnen noch mehr gehänselt als ohnehin schon, was eine unglückliche Kettenreaktion auslöst.
Während sich einige Mädchen anschließend dafür schämen, die hilflose und völlig verängstigte Carrie so massiv gedemütigt haben, setzen andere bereits zum nächsten Schlag an. Sue Snell ist aber so reumütig, dass sie selbst auf die Teilnahme am kommenden Frühlingsball verzichtet, damit ihr Freund Tommy Ross Carrie dazu einladen kann. Carrie vermutet hinter dieser vermeintlich netten Geste zunächst ein weiteres böses Spiel, das mit ihr getrieben wird, doch auch durch ihre mitfühlende Lehrerin Miss Desjardin bestärkt beginnt Carrie, sich von den emotionalen Fesseln ihrer Mutter zu befreien, sich ein Kleid zu nähen und sich tatsächlich auf den Ball zu freuen.
Doch ihre ersten düsteren Vorahnungen bewahrheiten sich, und Carrie entfesselt einen furchtbaren Sturm der Zerstörung …
„Niemand war hier drin – und falls doch, dann versteckte Er/Es sich vor ihrer Kraft. Gott hat sein Antlitz abgewandt, und warum auch nicht? Diese Gräuel waren genauso sein Werk wie das ihre. Und darum hatte sie die Kirche verlassen, hatte sie verlassen, um nach Hause zu gehen und Momma zu suchen und das Werk der Zerstörung zu vollenden.“ (S. 235) 
Nach zwei nach wie vor unveröffentlichten Romanen und den drei erst später unter dem Pseudonym Richard Bachman erschienenen Werken „Amok“, „Todesmarsch“ und „Menschenjagd“ war „Carrie“ bereits der sechste Roman aus der Feder von Stephen King, aber der erste, der schließlich 1974 auch das Licht der Welt erblickte und sogleich zu einem großen Erfolg avancierte. Wie seine späteren Bestseller „Feuerkind“, „The Dead Zone“ und „Shining“ thematisiert King in „Carrie“ eine übersinnliche menschliche Tätigkeit, verknüpft sie hier mit dem Erwachsenwerden eines pubertierenden Mädchens und einem stark religiös gefärbten persönlichen Umfeld, das seinen Teil dazu beiträgt, die telekinetischen Fähigkeiten der 16-jährigen Protagonistin in zerstörerischer Wut entfesseln lässt.
King beschreibt eindringlich die schweren Nöte, die das junge Mädchen sowohl zuhause als auch im schulischen Umfeld erleiden muss, macht mehr oder weniger den religiösen Wahn ihrer Mutter, die ihre Tochter als Produkt einer teuflischen Verfehlung betrachtet, dafür verantwortlich, dass Carries bislang nur latent zum Ausdruck gekommene Fähigkeit, Dinge allein durch ihre Gedanken zu bewegen, so zerstörerische Ausmaße annimmt. Dabei sorgen die immer wieder eingefügten dokumentarisch wirkenden Auszüge aus den Aussagen vor dem staatlichen Untersuchungsausschuss der sogenannten White-Kommission, der wissenschaftlichen Schrift „Als der Schatten explodierte. Der Fall Carietta White: Dokumentierte Tatsachen und spezifische Schlussfolgerungen“, Zeitschriften-Artikel und Nachrichten-Agentur-Meldungen dafür, dass das Ausmaß der fürchterlichen Ereignisse bereits früh bekannt gemacht wird, nimmt so allerdings auch die Spannung und lässt den Plot etwas zerfasern.
Mit der 16-jährigen Carrie ist Stephen King allerdings eine glaubwürdige Figur gelungen, die vor allem in der Verkörperung durch Sissy Spacek in der gleichnamigen Verfilmung von Brian De Palma im Jahr 1976 an Popularität gewann.
Leseprobe Stephen King- "Carrie"

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