Lionel und Beatrice McCready suchen das in Boston lebende und wirkende Liebes- und Detektivpaar Patrick Kenzie und Angelo Gennaro auf, um sie für die Suche nach der vierjährigen Amanda zu engagieren, die vor drei Tagen aus dem Haus von Lionels drogensüchtiger Schwester Helene entführt worden ist, während die Mutter des Kindes mit ihrer Freundin Dottie in eine Bar ging. Seitdem hat Helene einen Lügendetektortest erfolgreich bestanden, der Vater verfügt als Soldat in Deutschland über ein Alibi, von den Entführern fehlt nach wie vor jede Spur.
Obwohl das Ermittler-Duo kaum Chancen sieht, mehr zu erreichen als die unzähligen Cops, die sich auf die Suche nach Amanda gemacht haben, nehmen sie den Fall an und schließen sich zunächst mit Lieutenant Jack Doyle kurz, der in Boston die Einheit Crimes Against Children (CAC) auf die Beine gestellt hat. Zusammen mit den Detective Sergeant Nick „Poole“ Raftopoulos und Detective Remy Broussard suchen sie zunächst den dreimal verurteilten und untergetauchten Kinderschänder Leon Trett und seine Frau Roberta, doch die nützlichste Spur führt zum inhaftierten Drogenhändler Cheese Olamon, für den Helene immer wieder mal eine Kurierfahrt unternimmt.
Vor kurzem hat Cheese eine Lieferung an eine Gruppe von Bikern losgeschickt, doch sind bei der Razzia nur die Drogen, nicht aber das Geld sichergestellt worden. Nun wollen die Entführer die zweihunderttausend Dollar aus dem Drogendeal in den schwer zugänglichen Steinbrüchen gegen Amanda eintauschen. Doch die Operation, bei der das FBI außen vor bleibt, geht fürchterlich schief, Amanda bleibt verschwunden. Mittlerweile steht auch ihrer Mutter der Schmerz über ihr eigenes Verhalten ins Gesicht geschrieben.
„Sie war nicht dumm, sie war betäubt – die Welt im Ganzen, die Gefahr, der ihr Kind ausgesetzt war, die Glasscherben, die sich in ihr Fleisch, in ihre Sehnen und Arterien bohrten -, nichts davon drang zu ihr durch.Zwar stellt Helene weiterhin keine große Hilfe bei den Ermittlungen dar, doch dafür wird Patrick Kenzie bei einem Saufgelage mit Broussard schlagartig klar, wer wirklich hinter der Entführung der kleinen Amanda steckt. Für die beiden Privatermittler wird die Suche nach den Entführern schließlch auch zu einer ganz persönlichen Belastungsprobe …
Doch der Schmerz bahnte sich einen Weg. Endlich. Sie sah mich an, ihre Augen wurden heller, die Pupillen weiteten sich, und der Schmerz stand in ihnen. Eine entsetzliche Erkenntnis, eine Kernschmelze an Hellsichtigkeit, die dort zu sehen war, und damit einhergehend das Bewusstsein, was ihre Gleichgültigkeit für ihre Tochter bedeutete.“ (S. 340)
Auch wenn Dennis Lehane vor allem durch seinen Roman „Spur der Wölfe“ berühmt geworden ist, den Clint Eastwood 2003 unter dem Titel „Mystic River“ verfilmt hat, erregte bereits seine 1994 initiierte, bislang sechs Romane umfassende Reihe um die Privatdetektive Patrick Kenzie und Angela Gennaro Aufmerksamkeit, als der damalige US-Präsident Bill Clinton beim Aussteigen aus der Air Force One den fünften Roman der Reihe, „Prayers For Rain“, in der Hand hielt.
Mit „Gone Baby Gone“ legte Lehane 1998 den wohl verstörendsten Titel der Reihe vor, denn wie sein späterer Bestseller „Mystic River“ reizt er das Thema Kindesentführung und -missbrauch bis zum schmerzlichen Exzess aus. Die beunruhigende Tatsache, dass in den USA tagtäglich 2300 Kinder vermisst gemeldet werden, bricht Lehane auf eine sehr persönliche Geschichte herunter, die deshalb zu tief berührt, weil die Grenzen zwischen Recht und Gerechtigkeit immer wieder verschwimmen. Dabei wird die Mutter der entführten Amanda als egoistisches, selbstmitleidiges Miststück charakterisiert, die völlig ungeeignet erscheint, ein Kind aufzuziehen.
Dagegen sind Gut und Böse in den Reihen der Gangster und Cops nicht so einfach auszumachen. „Gone Baby Gone“ präsentiert sich sowohl in stimmungsvoller als auch psychologischer Hinsicht als vielschichtiges Psycho-Thriller-Drama, in dem sich humorvolle, erotische, brutale und deprimierende Töne im Minutentakt abwechseln und der Plot dabei mit überraschenden Wendungen bis zum denkwürdigen und diskussionsanregenden Schluss aufwartet.
Hollywood-Schauspieler Ben Affleck feierte 2007 mit der Verfilmung von „Gone Baby Gone“ sein erfolgreiches Regiedebüt.
Leseprobe Dennis Lehane - "Gone Baby Gone"
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen