(Diogenes, 336 S., HC)
Mit „Der Vater, der vom Himmel fiel“ und „Letzter Bus nach Coffeeville“ hat der britische Schriftsteller J. Paul Henderson bereits zwei eindrucksvolle Belege seiner Fähigkeiten präsentiert, mit viel Wärme und Feingefühl die Lebensgeschichten einfacher, aber doch irgendwie besonderer Menschen zu erzählen, die der Leserschaft bereits nach wenigen Seiten ans Herz wachsen. Mit seinem neuen Roman „Daisy“ ist Henderson ein weiterer äußerst liebenswerter Wurf gelungen.
Dass Herod S. Pinkey nach dem Kindermörder Herodes benannt worden ist, stellt nur eine von vielen Kuriositäten und Demütigungen dar, die Herod durch seinen Vater im Leben erleiden musste. Dazu zählt auch der Umstand, dass Herod nach seinem Schulabschluss zwar in der Firma seines Vaters arbeiten durfte, aber nie über einfache Tätigkeiten in der Poststelle oder im Facility Management hinaus gefordert wurde.
Nach dem Tod seines Vaters und dem Selbstmord seiner Mutter ist Herod, der lieber Rod genannt werden will, ein reicher Mann, der völlig überfordert damit gewesen wäre, die Firma seines Vaters weiterzuführen, und stattdessen praktisch umsonst in einer Galerie zu arbeiten anfängt, um neue Freunde zu finden. Rod kommt auf diese Weise auch an ein paar Dates, doch erst als er seinen Freunden Donald und Edmundo den neuen Fernseher vorführen will, verliebt er sich in Daisy, die in der Gerichtsshow „Judge Judy“ ihren Ex-Freund auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt hat. Rod schaut sich am folgenden Tag wiederholt die Aufzeichnung der Sendung an, wobei er sich nicht daran stört, dass diese selbst bereits vor dreizehn Jahren ausgestrahlt worden ist.
„Der größte Haken dabei war, dass ich nun zwar Daisy kannte, ganz gleich wie virtuell, sie aber noch nicht einmal ahnte, dass es mich überhaupt gab. Ich wiederum wusste nichts von ihren derzeitigen Umständen: wo sie wohnte, ob sie alleinstehend oder verheiratet war, am Leben oder – Gott bewahre – tot. All dass musste ich natürlich erst in Erfahrung bringen, bevor ich in ein Flugzeug stieg und mich in einem Land, in das ich nie wieder einen Fuß zu setzen geschworen hatte, auf die Suche nach ihr machte.“ (S. 159)
Tatsächlich engagiert Rod eine Detektei, die wiederum in den USA einen Detektiv auf die Suche nach Daisy Lamprich ansetzt. Zusammen mit seinen beiden Freunden unternimmt Rod schließlich eine abenteuerliche Odyssee in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten…
Obwohl der Ich-Erzähler Herod „Rod“ S. (für Solomon) Pinkey gleich zu Beginn konstatiert, dass er zu der Sorte Mensch zähle, die nicht gern von sich reden, und in eine Daisy Lamprich verliebt sei, erweist sich Herod auf den folgenden 330 Seiten als sehr eloquenter, humorvoller Chronist seines ungewöhnlichen Lebens.
Bereits in der Beschreibung seines komplizierten Verhältnisses zu seinen Eltern lässt sich erahnen, dass Herods Biografie einige Stolpersteine bereithält, und Henderson beweist großes Geschick darin, seinen Protagonisten als einen sich selbst nicht allzu ernst nehmenden Lebenskünstler zu portraitieren, der trotz leichter Legasthenie und Schwierigkeiten, Freunde und Anerkennung zu finden, seinen Weg macht und bereit ist, auch unorthodoxe Wege zu seinem Glück einzuschlagen.
Henderson nimmt sich viel Zeit, um nicht nur Herod mit all seinen liebenswert erscheinenden Schrullen zu charakterisieren, sondern auch dessen Beziehungen zu den Menschen, die ihm am nächsten stehen und die ihn schließlich von England aus auf die Odyssee in den USA begleiten.
Mit „Daisy“ ist Henderson eine sehr kurzweilige Geschichte über das ungewöhnliche Leben eines Mannes mit einigen Handicaps gelungen, wobei diese immer wieder durch kursiv gedruckte Kapitel umrahmt wird, in denen sich Rod mit seinem Verleger Ric darüber unterhält, wie er die Liebesgeschichte rund um die titelgebende Daisy am besten verpackt. Es ist ein Roman voller liebenswürdiger Charaktere und skurriler Abenteuer, ein Roman voller Fantasie und Mut, seine Träume zu verwirklichen, so unmöglich sie auch erscheinen mögen. Das macht einem vor allem die grandiose Pointe vor Augen.
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