Neben seiner Reihe um den eigensinnigen Kommissar Harry Hole, die den norwegischen Schriftsteller berühmt gemacht hat, veröffentlicht Jo Nesbø in den vergangenen Jahren auch immer öfter davon unabhängige Romane, die in ihrer Qualität allerdings sehr unterschiedlich ausfallen. Vor vier Jahren hat Nesbø mit „Ihr Königreich“ einen Thriller veröffentlicht, der das ehrgeizige Spa-Hotel-Projekt der beiden Brüder Roy und Carl Opgard thematisierte – und allerlei Intrigen, Affären und Morde, mit denen die Opgards ihr Hab und Gut und ihre ambitionierten Pläne zu retten versuchten. Nun ist mit „Der König“ eine fesselnde Fortsetzung erschienen.
Roy Opgard und sein jüngerer Bruder Carl haben sich mit Os Spa ihren Traum von einem Luxushotel in ihrem Heimatort Os verwirklicht. Während Carl sich vornehmlich um das Hotel kümmert, verantwortet Roy die Tankstelle und eine Kneipe, schlägt sich aber vor allem mit den Plänen für die weltgrößte Holzachterbahn herum, die zum Prunkstück eines dazugehörigen Freizeitparks werden soll.
Einmal mehr sind die beiden Brüder, die mehr als nur den Mord an ihren Eltern auf dem Gewissen haben, gezwungen, mit etlichen Herausforderungen zu kämpfen und dabei wenig zimperlich auch den einen oder anderen Querulanten über die Klinge springen zu lassen. Zunächst einmal sind die beiden Geologen davon zu überzeugen, in ihrem Gutachten zu dem Schluss zu kommen, dass der geplante Todde-Tunnel nicht gebaut werden kann, denn mit dem Tunnel würde der Riksveis, der schon immer durch Os geführt hat, vom Ort weg verlegt werden, was dem Hotel und seinem Wert unermesslichen Schaden zufügen würde.
Aber auch der örtliche Polizeichef Kurt Olsen, gleichzeitig Trainer der von Carl und Roy gesponserten Fußballmannschaft von FK Os, hängt den beiden Brüdern an den Fersen, ist er doch – zurecht – davon überzeugt, dass sie ihre Finger im Spiel beim Tod seines Vaters hatten. Auf jeden Fall müssen die Opgards einen großen Kredit aufnehmen, um nicht die Geologen bestechen, sondern auch den geplanten Freizeitpark realisieren können. Es müssen also einige Schlüsselfiguren entsprechend bearbeitet werden, aber auch die Brüder kommen sich bei der Realisierung ihrer jeweiligen Träume zunehmend einander ins Gehege…
„Es ist merkwürdig, wenn einem ein Mensch, mit dem man über so viele Jahre so eng zusammengelebt hat, plötzlich wie ein Fremder vorkommt. Man schiebt es auf das Licht oder die eigene Müdigkeit, schließlich handelt es sich ja um den eigenen kleinen Bruder, der nichts vor die verbergen kann, bis einem klar wird, dass man ja noch nicht einmal sich selbst richtig kennt.“
Wie schon in dem – fast verjährten - Vorgänger „Ihr Königreich“ lässt Nesbø auch in „Der König“ Roy Osgard als Erzähler auftreten, was der Geschichte eine sehr persönliche, aber eben auch bewusst subjektive, einseitige Perspektive verleiht. Die wesentlichen Ereignisse, Umstände und Beziehungsgeflechte des ersten Romans werden dem nichtkundigen Leser nebenbei vermittelt, vor allem der von Roy forcierte Mord an den eigenen Eltern, nachdem sich der Vater an Carl vergangen hatte. Dass Roy immer wieder Carls „Pannen“ ausbügeln muss, kommt auch in „Der König“ zum Tragen, bis aus der eingeschworenen Bruderliebe eine tödliche Rivalität wird. Schließlich haben die beiden Alphatiere ihr Leben lang u.a. Spaß daran gehabt, ihrem Bruder die Lebensgefährtin auszuspannen.
Diesmal spielt Roys neue, sehr junge Freundin Natalie Moe eine entscheidende Rolle. Die romantische Beziehung zwischen Roy und Natalie verleiht dem Ich-Erzähler einige Sympathiepunkte, erscheint er hier doch durchaus als liebenswerter Mensch, was man von seinem sonst sehr pragmatischen, eigennützigen Verhalten nicht sagen kann. Nesbø baut geschickt die Spannung und die Konflikte auf, überspannt bei den Wendungen zum Finale etwas den Bogen, liefert aber alles in allem einen lesenswerten, kurzweiligen Thriller ab, der durchaus Potential für eine weitere Fortsetzung bietet.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen