Michael Connelly – (Harry Bosch: 15) „Der Widersacher“

Samstag, 7. Dezember 2024

(Knaur, 458 S., Tb.) 
Seit 1992 schickt der ehemalige Polizeireporter Michael Connelly seinen unermüdlich und aufrichtig für Gerechtigkeit kämpfenden Detective Harry Bosch auf Verbrecherjagd und ist immer wieder für einige der besten Krimis verantwortlich gewesen, die es sogar ins Serienformat von Amazon Prime geschafft haben. Fast zwanzig Jahre später ist Bosch längst pensioniert, konnte aber seine Dienstzeit verlängern lassen und ist nun der Einheit Offen-Ungelöst des Los Angeles Police Departments zugeteilt. Mit seinem Partner David Chu bekommt er von Lieutenant Duvall den Fall von Lily Price zugewiesen, die 1989 ermordet worden war. Nun konnte eine DNA-Probe dem bereits inhaftierten Sextäter Clayton S. Bell zugeordnet werden, der zum Zeitpunkt des Mordes allerdings erst acht Jahre alt war. 
Wie Bosch und Chu bei einem von der Therapeutin Hannah Stone begleiteten Verhör mit Pell erfahren, war Pells Mutter während seiner Kindheit mit einem Mann namens Chill liiert, der Pell sexuell missbraucht und mit einem Gürtel geschlagen habe. So könnte Pells Blut an Lily Prices Hals gelangt sein. Doch bevor sich Bosch und Chu auf die Suche nach diesem mysteriösen Chill machen können, werden sie zu einem brisanten aktuellen Fall abkommandiert. Niemand Geringerer als Stadtratsmitglied Irvin Irving hat Bosch angefordert, den Tod seines Sohnes George zu untersuchen. 
Als Irving noch Chef der Einheit für interne Untersuchungen beim LAPD war, machte er Bosch immer wieder das Leben schwer, doch hält er Bosch für so integer und vertrauenswürdig, dass er ohne Rücksicht auf die Ergebnisse, zu denen der Detective kommen wird, die Wahrheit herausfinden wird. Dabei sieht zunächst alles danach aus, als habe sich der Lobbyanwalt vom Balkon von Zimmer 79 des Chateau Marmont Hotels zu Tode gestürzt. Bei ihren Ermittlungen stoßen Bosch und sein Partner, der hinter Boschs Rücken Informationen an eine Reporterin der Los Angeles Times weitergibt und so Boschs Vertrauen nachhaltig untergräbt, auf die Neuvergabe von Taxilizenzen, bei der sowohl der Stadtrat als auch sein Sohn die Finger im Spiel hatten. Der Geschädigte ist ausgerechnet Robert Mason, ein alter Cop, der Bosch allerdings ein wasserdichtes Alibi für Irvings Todeszeitpunkt präsentiert… 
„Mason stand auf und ging mit gesenktem Kopf zum Ausgang. Bosch sah ihm hinterher und dachte über die Wechselwirkung von Beziehungen und Ermittlungen nach. Er war in der Erwartung hierhergekommen, einen korrupten Polizisten zu finden, der einen Schritt zu weit gegangen war. Stattdessen betrachtete er Mason inzwischen als ein weiteres Opfer Irvin Irvings. Und ganz oben auf der Liste von Irvings Opfern stand dessen eigener Sohn. Vielleicht brauchte sich Mason gar keine Gedanken zu machen, wie er den Stadtrat am besten zur Rede stellen sollte. Vielleicht kam ihm Bosch zuvor.“ (S. 253) 
Auch in Boschs neuen Fällen ist mal wieder „High Jingo“ angesagt, die vertrackte Verquickung von Polizeiarbeit und Politik. Connelly ist als ehemaliger Verfasser von Polizeireportagen erfahren genug, um diese Fallstricke immer wieder in packende Krimis zu verpacken. Wie so oft sind es gleich zwei Fälle, mit denen es Bosch und sein ungeliebter Partner Chu in „The Drop“ zu tun bekommen, wobei der Originaltitel in erster Linie auf den Deferred Retirement Option Plan – kurz: DROP - anspielt, an dem Bosch als bereits pensionierter Cop teilnimmt. Das erhöht nicht nur das Tempo der Erzählung, sondern fesselt auch die Aufmerksamkeit der Leserschaft. 
Connelly liefert, was er am besten kann: akribisch beschriebene Ermittlungsarbeit mit etlichen Spuren, wobei nur der Irving-Fall etwas kniffliger zu sein scheint, während der Cold-Case-Fall von Lily Price vor allem dazu dient, Bosch eine neue Liebschaft zu verschaffen und ein actionreiches Finale zu präsentieren. 
„Der Widersacher“ lebt wie eigentlich alle Bosch-Romane von der charismatischen Persönlichkeit des Protagonisten, der auch mal Fehler macht, sich diese aber auch eingesteht. Zwar verderben etwas arg viele Zufälle eine durchweg glaubwürdige Story, aber für Connelly-Fans ist „Der Widersacher“ ein Muss.


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