Richard Bachman – „Sprengstoff“

Donnerstag, 3. Januar 2019

(Heyne, 344 S., Tb.)
Ein Jahr, nachdem der Ausbau der Stadtautobahn beschlossene Sache ist, besorgt sich der vierzigjährige Barton George Dawes in Harveys Waffengeschäft im November 1973 eine .44er Magnum und ein vierhundertsechziger Weatherbee-Gewehr. Zwar weiß George noch nicht so recht, was er damit anfangen will, aber auf jeden Fall lässt er es sich nicht ohne weiteres gefallen, dass durch den geplanten Ausbau der 784 seine ganze Existenz den Bach runtergeht. Denn mit den Baumaßnahmen ist auch der Abriss seines Hauses in der Crestallen Street West verbunden, in dem er mit seiner Frau Mary seit zwanzig Jahren lebt, ebenso wie des Gebäudes der Blue-Ribbon-Wäscherei.
Während sein Chef Steve Ordner davon ausgeht, dass sich George darum kümmert, das Fabrikgebäude in Waterford als Ersatz zu kaufen, denkt auch Mary, dass sich ihr Mann um ein neues Heim kümmert. Doch George denkt gar nicht daran, kampflos den Platz zu räumen. Als Ordner erfährt, dass George den Deal hat platzen lassen, setzt er ihn vor die Tür, kurz darauf trennt sich auch Mary von ihm und zieht zu ihren Eltern. George, der es bis heute nicht verwunden hat, dass er vor drei Jahren seinen Sohn durch einen Gehirntumor verlor, nimmt derweil Kontakt zum Mafioso Magliore auf, der ihm eine große Menge Sprengstoff besorgen soll. Sein Plan, den Ausbau der Autobahn zu sabotieren, nimmt immer konkretere Formen an …
„Was machte er hier auf dem Fußboden in seinem Wohnzimmer, seine Knie umklammernd und zitternd wie ein Alkoholiker in der Gosse? Oder ein Geisteskranker, ein bescheuerter Psychopath, das kam der Sache wohl näher. War er das wirklich? War er geisteskrank? Nicht so etwas Komisches und Harmloses wie ein Spinner oder ein Knallkopf oder einfach nur ein Verrückter, sondern ein wirklicher, echter Psychopath? Der Gedanke erfüllte ihn erneut mit Schrecken.“ (S. 160f.) 
Zwischen 1977 und 1984 veröffentlichte Stephen King unter dem Pseudonym Richard Bachman fünf Romane, 1985 kam ein Buchhändler hinter dieses gut gehütete Geheimnis, was King aber nicht daran hinderte, noch einmal als Bachman 1996 zunächst „Regulator“ und schließlich 2007 „Qual“ zu veröffentlichen.
„Sprengstoff“ ist 1981 nach „Amok“ (1977) und „Todesmarsch“ (1979) der dritte Bachman-Roman und weist überhaupt keine übernatürlichen Elemente auf. Stattdessen erzählt der Roman von dem einsamen Kampf eines Mannes, dem im Leben durch den Tod seines Sohnes schon alles Wichtige genommen worden ist und nun nicht auch noch seinen Arbeitsplatz und sein Heim aufgeben will. Stattdessen setzt er die Entschädigung für die Enteignung seines Hauses dazu ein, den Stadtvätern einen Denkzettel zu verpassen. Schließlich ist es zur Zeit der Energiekrise für George absolut nicht nachzuvollziehen, warum eine neue Autobahn gebaut werden muss. Er steigert sich so in sein Vorhaben hinein, von dem ihm auch die andere Stimme in seinem Kopf nicht abhalten kann, den Bau zu sabotieren.
Wie verbohrt George dabei ist, macht sich vor allem in der Beziehung zu seiner Frau bemerkbar, um die er sich überhaupt nicht mehr bemüht. Und auch wenn Georges Beweggründe nachvollziehbar sind, driftet er zunehmend in den Wahnsinn ab. King gelingt es, die Story sehr geschickt und komprimiert so zu erzählen, dass der Leser Sympathien für George entwickelt und unbedingt erfahren will, wie sich dessen Pläne weiterentwickeln. Hier erweist sich King als Meister der psychologischen Thrillers.

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