Josephine Rowe – „Ein liebendes, treues Tier“

Montag, 21. Januar 2019

(Liebeskind, 208 S., HC)
Anfang der Neunzigerjahre steht die Familie des Kriegsveteranen Jack Burroughs vor unrettbaren Trümmern. Seine schlechten Träume der über zwanzig Jahre zurückliegenden Vergangenheit können nicht mal die Beruhigungspillen vertreiben. Als auch noch sein geliebter Hund von einer Wildkatze buchstäblich zerrissen wird, sieht er den herumliegenden Körperteilen gleichsam die Überreste seines eigenen verpfuschten Lebens und verschwindet spurlos – diesmal für immer, wie seine Tochter Ruby glaubt.
Offensichtlich hat ihr Vater nie eine echte Chance gehabt. Erst seine Mutter, die in ihrem Selbstmordversuch auch ihre Kinder mit in den Tod reißen wollte und in einer psychiatrischen Anstalt landete, dann der Vietnamkrieg, dessen Echo noch immer in seinem Schädel dröhnt. Sein Bruder Les hat sich sogar die Finger abgehackt, um nicht in den Krieg ziehen zu müssen.
Die drei Frauen in Jacks Leben gehen jeweils auf ihre eigene Weise mit dem Unglück um, das Jack in ihr Zuhause gebracht hat. Lani, die älteste Tochter, vertickt nicht nur die Beruhigungspillen ihres Vaters auf Partys, sondern gerät auch so immer wieder in Schwierigkeiten. Ihre kleine Schwester Ruby verliebt sich in einen Mann aus anderen Verhältnisse und lernt erstmals eine Familie kennen, die mehr zu bieten hat als pure Verzweiflung und unerfüllte Träume. Jacks Frau Evelyn fühlt sich einfach um ein besseres Leben betrogen, geht an der Unterstützung, die sie Jack zu geben versucht, selbst zugrunde.
„Hier ist was schwer durcheinandergeraten, wie durch den Fleischwolf gedreht. Jemand anderes hat sich ihr Leben geborgt und gurkt damit durch die Gegend, macht Strecke, wie man das mit einem geklauten Auto tut. Aber irgendwann ist Schluss damit. Irgendwann ist man zermürbt vom schlechten Gewissen. Keine Spritztour kann ewig dauern. Eines Tages wird Ev aufwachen, und dann ist es wieder da, ihr wahres Leben, steht ordentlich geparkt vor dem Haus und glänzt.“ (S. 45) 
Die 1984 im australischen Queensland geborene Josephine Rowe wurde nach Aufenthalten in den USA und Kanada 2016 mit dem Elizabeth Jolley Prize für ihre Kurzprosa ausgezeichnet, die u.a. bei McSweeney’s und in der Paris Review erschienen sind, und veröffentlichte im selben Jahr ihren Debütroman, der nun in der deutschen Übersetzung als „Ein liebendes, treues Tier“ bei Liebeskind vorliegt.
Darin verleiht sie den Figuren rund um den Kriegsveteranen Jack Burroughs und seiner Familie jeweils eine eigene Perspektive, einen individuellen Erzählton. Das ist nicht immer leicht nachzuvollziehen, oft genug besteht die Sprache nur aus abgehackten Satzfetzen (so Jacks vereinzelte, aneinandergereihte Erinnerungen an den Krieg), unzusammenhängend wirkenden Gedanken, die deutlich machen, wie zerrüttet das Leben der Burroughs ist.
Eine konventionelle Dramaturgie sucht der Leser in dem gerade mal gut zweihundert Seiten umfassenden Bändchen vergebens, dafür wird er mit scharfen Beobachtungen und düsteren Gedanken konfrontiert, die in einer ebenso klaren wie verwirrend aufwühlenden und dann wieder zutiefst poetisch betörenden Sprache niedergeschrieben sind.
Wer sich darauf einlassen kann, wird mit einem außergewöhnlichen Leseerlebnis und einer zutiefst melancholischen Geschichte über unerfüllte Träume und die Folgen grausamer menschlicher Triebe belohnt.

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