Richard Bachman – „Todesmarsch“

Sonntag, 13. Januar 2019

(Heyne, 316 S., Tb.)
In einer vom Militär beherrschten Zukunft, in der die Menschen meistgehend verarmt sind, bietet allein der jährliche „Todesmarsch“ männlichen Jugendlichen zwischen 14 und 17 die Möglichkeit, lebenslangen Luxus zu erreichen. Allerdings ist die vom „Major“ organisierte Veranstaltung für alle Beteiligten die reinste Tortur, und nur der einzig Überlebende darf sich über den Gewinn freuen. Alle anderen werden nach drei Warnungen, die auf jeweilige Unterschreitung der Schrittgeschwindigkeit von vier Meilen die Stunde folgen und die jeweils erst nach einer weiteren Stunde gestrichen werden, von Soldaten aus einem den Marsch begleitenden Panzerfahrzeug erschossen.
Unter den einhundert Teilnehmern befindet sich auch der 16-jährige Raymond Davis Garraty aus Pownal, Maine. Zu Beginn des Marsches freundet er sich mit verschiedenen Jungs an, mit dem durchtrainierten Peter McVries, dem unterhaltsamen Hank Olson, dem geselligen Südstaatler Art Baker und Harkness, der über den Marsch später ein Buch schreiben will, aber schon früh aus dem Rennen scheidet. Mit dem rätselhaften Stebbins und dem aggressiv auftretenden Gary Barkovitch sind aber auch einige nicht so angenehme Zeitgenossen mit von der Partie. Die Gespräche unter den Teilnehmern drehen sich meist um die Familien und die Motivation, an dem Marsch teilzunehmen, und vielen der jungen Menschen wird klar, dass ihnen der tödliche Ernst der Angelegenheit gar nicht bewusst gewesen ist. Ray sehnt sich vor allem danach, seine Freundin Janice, die er über alles liebt, mit der er aber noch nicht geschlafen hat wiederzusehen. Sie wartet zusammen mit seiner Mutter in Freeport auf ihn. Doch bis dahin ist es ein ziemlich langer Weg …
„Dies war das erste Mal, dass er sich wirklich wünschte, diesen Marsch zu gewinnen. Selbst am Start, als er sich noch frisch und kräftig gefühlt hatte – zu der Zeit, als die Dinosaurier noch die Erde bevölkerten -, hatte er nicht bewusst den Wunsch gehabt zu gewinnen. Das war das Ganze nur eine Herausforderung gewesen. Aber die Gewehre schossen keine kleinen roten Zettel ab, auf denen PÄNG! geschrieben stand. Dies war kein Baseball und auch kein anderes Spiel, es war die brutale Realität.“ (S. 286) 
Ähnlich wie in seinem nachfolgenden Roman „Menschenjagd“, den Stephen King ebenfalls unter seinem Pseudonym Richard Bachman veröffentlichte, entwirft der 1979 entstandene Roman „Todesmarsch“ eine düstere Zukunftsvision einer desillusionierten, verarmten Gesellschaft, die von skrupellosen Militärschergen regiert wird und die durch makabre, aber die Massen begeisternde Spiele die unwahrscheinliche Möglichkeit (hier stehen sie bei 1:100) haben, ihr zukünftiges Leben in Reichtum und Luxus zu verbringen.
Wie weit auseinander Traum und Realität liegen, müssen die einhundert jugendlichen Teilnehmer des Todesmarsches auf die ganz bittere Art erfahren, wenn sie nach und nach ihre eben noch neben ihnen laufenden Kameraden dabei beobachten müssen, wie sie kraftlos auf der Straße in sich zusammensacken und von gezielten Gewehrschüssen niedergestreckt werden.
King begnügt sich wieder mit sehr rudimentären Skizzierungen der gesellschaftlichen Verhältnisse in der nicht näher definierten Zukunft. Hier sorgen allein die Gespräche zwischen den Gehern für ein paar Hintergründe (so wurde Rays Vater eines Tages einfach von Soldaten abgeholt und nicht mehr wiedergesehen). Interessant ist vor allem der fortschreitende körperliche wie psychische Verfall der Teenager-Jungen, was dem Autor sehr glaubwürdig gelingt. Je mehr Ray zum Ende des Marsches hin erleben muss, wie die ihm ans Herz gewachsenen Freunde/Konkurrenten wegsterben, umso deutlicher wird ihm bewusst, wie sinnlos die Teilnahme am Todesmarsch gewesen ist.
Der existentiellen Geschichte entspricht ein ebenso reduzierter Schreibstil, der sich ganz auf die Begebenheiten auf der Marschstrecke konzentriert und neben den Beobachtungen, wie der körperliche Verfall der Teilnehmer voranschreitet, vor allem die psychischen Befindlichkeiten wiedergibt, die in den Gesprächen der Jugendlichen untereinander zum Ausdruck kommen. Der Leser wird so nie vom Geschehen abgelenkt und läuft quasi mit den Jugendlichen mit, teilt ihre Sehnsüchte und Todesängste.
Leseprobe Richard Bachman - "Todesmarsch"

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