Richard Bachman – „Der Fluch“

Sonntag, 6. Januar 2019

(Heyne, 347 S., Tb.)
Bisher hat der übergewichtige Anwalt William „Billy“ Halleck satte 249 Pfund auf die Waage gebracht, doch durch einen folgenschweren Autounfall hat sich Halleck den Fluch eines Zigeuners mit verfaulender Nase eingefangen, der ihm nach dem anhängigen Gerichtsverfahren an der Wange berührte und ein „Dünner“ zuraunte. Zu dem Gerichtsverfahren kam es überhaupt erst, weil Halleck von seiner ansonsten eher prüden Frau Heidi während einer Autofahrt erstmals mit der Hand befriedigt wurde und er durch sein vermindertes Reaktionsvermögen im Augenblich seines Orgasmus eine Zigeunerin zu Tode gefahren hat, die plötzlich zwischen zwei parkenden Autos hindurch auf die Straße gelaufen war.
Da der Polizeibeamte vor Ort es versäumte, bei Halleck einen Alkoholtest zu machen, der örtliche Polizeichef Duncan Hopley den Vorfall nicht mit der nötigen Sorgfalt verfolgte und schließlich auch der mit ihm befreundete Richter Carry Rossington Halleck schließlich freigesprochen hat, konnte Halleck wieder seinen Angelegenheiten nachgehen, während die ungeliebten Zigeuner der Stadt verwiesen wurden.
Doch da er erschreckend schnell an Gewicht verliert, fängt Halleck wirklich an den Fluch zu glauben, denn weder sein Hausarzt Dr. Houston noch der Aufenthalt in einer privaten Spezialklinik können keine körperliche Ursache für Hallecks rapiden Gewichtsverlust finden. Als auch noch Rossington und Hopley von ähnlichen Verwünschungen betroffen zu sein scheinen, bleibt Halleck nichts anderes übrig, als den Vater der Toten, Taduz Lemke, ausfindig zu machen, um ihn dazu zu bewegen, den Fluch wieder zurückzunehmen. Er engagiert zunächst einen Privatdetektiv, um die Spur des reisenden Zigeunervolks nachzuvollziehen, und schließlich den Mafioso und Restaurantbesitzer Richard Ginelli, ihn bei der zu leistenden Überzeugungsarbeit zu unterstützen. Der nimmt diesen Freundschaftsdienst ernster, als Halleck zunächst lieb ist. Mit der Zeit beginnt Halleck aber auch auf seine Frau wütend zu werden …
„Ja, es war ihre Schuld gewesen, aber das hatte der alte Zigeuner nicht gewusst, und deshalb hatte Halleck den Fluch abbekommen und mittlerweile insgesamt einundsechzig Pfund in kürzester Zeit abgenommen. Und sie saß da und hatte dunkle Ringe unter den Augen und ihre Haut war viel zu bleich, aber diese dunklen Ringe würden sie nicht töten, nicht wahr? Nein. Und auch die bleiche Haut nicht. Der alte Zigeuner hatte sie nicht angefasst.“ (S. 84) 
„Der Fluch“ war 1984 der letzte von insgesamt fünf Romanen, die Stephen King unter dem Pseudonym Richard Bachman seit 1977 veröffentlicht hatte, bevor die wahre Identität des Autors durch einen aufmerksamen Buchhändler gelüftet wurde. Der 1996 durch Tom Holland unter dem Titel „Thinner – Der Fluch“ verfilmte Roman passt auch qualitativ am ehesten in die Werksbiografie von Stephen King, der im Roman selbst seinen Protagonisten sagen lässt, dass sich seine Geschichte wie ein Stephen-King-Roman anhört.
Mit dem Fluch durch den Zigeuner fügt Bachman alias Stephen King seiner Geschichte genau den übernatürlichen Aspekt hinzu, der einen Großteil seiner Romane und Kurzgeschichten ausmacht, und der Autor erweist sich auch in „Der Fluch“ als Meister darin, das Grauen in den Alltag einer gutbürgerlichen Familie einzuführen. Er thematisiert mit dem Roman aber auch das nach wie vor leider sehr aktuelle Ausgrenzen gesellschaftlicher Minderheiten und die Selbstverständlichkeit, mit der Dinge so lapidar geregelt werden, dass den „Stützen der Gesellschaft“ möglichst wenig ans Bein gepinkelt wird. Sobald Halleck allerdings den mit ihm befreundeten Mafioso um Mithilfe bittet, entgleitet Bachman/King die Glaubwürdigkeit der Story etwas, ehe sie mit einem augenzwinkernden Finale wieder die Kurve bekommt.

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