Robert Bloch – „Ich küsse deinen Schatten“

Mittwoch, 16. Dezember 2020

(Diogenes, 296 S., Tb.) 
Bevor Robert Bloch 1947 mit „The Scarf“ („Der Schal“) seinen ersten Roman veröffentlichte, machte er sich bereits als produktiver Autor von Kurzgeschichten einen Namen, wobei er seine erste Story bereits 1930 im zarten Alter von 13 Jahren (!) veröffentlichte, 1939 kam er sogar auf 20 Geschichten. Kein Wunder also, dass der hierzulande vor allem durch die Romanvorlage für Alfred Hitchcocks Klassiker „Psycho“ bekannte Schriftsteller im Laufe seiner Karriere etliche Kurzgeschichten-Sammlungen publizierte, von denen zum Glück auch einige hierzulande erschienen sind, darunter die im Original 1960 veröffentlichte Sammlung „Pleasant Dreams, Nightmares“, die 1989 von Diogenes unter dem Titel „Ich küsse deinen Schatten“ für den deutschsprachigen Raum herausgebracht worden ist. 
In vierzehn Geschichten beweist der 1994 verstorbene Bloch, dass er zu den vielseitigsten Horror-Autoren seiner Zeit zählte. So erzählt er in der Auftaktstory „Zucker für die Süße“, warum eine Haushälterin die Stellung bei dem Bruder des Rechtsanwalts Sam Steever aufgegeben hat, nämlich weil ihr die achtjährige Irma, für die sie letztlich das Kindermädchen sein sollte, wie eine Hexe erschien, die aber auch von dem Vater des Kindes misshandelt wurde. Als sich der Rechtsanwalt selbst ein Bild von der Situation im Haus seines Bruders machen will, erscheint ihm Irma wie eine hübsche Puppe, doch ist sie tatsächlich alles andere als das … 
Eine schöne Geschichte über das alte Hollywood der Stummfilmzeit präsentiert sich mit „Die Traumfabrikanten“. Ein Reporter des „Filmdom“-Magazins soll eine Story über große alte Filmschauspieler abliefern. Dazu besucht er den einstmals großen Stummfilmregisseur Jeffrey Franklin, der allerdings nach seinem letzten Flop aus dem Jahre 1929, als der Tonfilm aufkam, keinen Film mehr gedreht hatte. Zusammen mit anderen Filmemachern und Schauspielern beschloss er vor gut einem Vierteljahrhundert, Hollywood den Rücken zu kehren, während andere, die nicht diese Weitsicht hatten, im Hollywood des Tonfilms unter die Räder kamen. Schließlich reift in dem Reporter die Idee, ein Drehbuch über die noch jung gebliebenen Altstars zu schreiben und Franklin die Regie führen zu lassen. Doch der Filmemacher agiert nach einem eigenen Drehbuch. 
In „Der Zauberlehrling“ erzählt ein buckliger Junge namens Hugo, wie er, nachdem er aus einem Heim geflohen war, von dem großen Zauberer Sadini als Assistent eingestellt wurde. Als Hugo allerdings feststellt, dass seine schöne Frau Isabel eine Affäre mit dem Möchtegern-Zauberer George Wallace unterhält, geraten die Dinge außer Kontrolle. 
Bloch hat nicht nur Geschichten, die auf dem „Cthulhu“-Mythos von H.P. Lovecraft basieren, geschrieben, sondern hat mit „Der Leuchtturm“ auch die letzte – unvollendete – Geschichte von Edgar Allan Poe zu Ende geschrieben. Es ist das am 1. Januar 1796 begonnene Journal eines Leuchtturmwärters, der nach elf einsamen Tagen feststellen muss, dass sich etwas ihm Unbekanntes verändert hat, und einer Frau begegnet, die geradezu seinen Träumen entsprungen zu sein scheint. 
„Ihr Fleisch war wirklich – kalt wie die eisigen Wasser, aus denen sie kam, aber greifbar und dauerhaft. Ich dachte an den Sturm, an zertrümmerte Schiffe und ertrinkende Menschen, ein ins Wasser geworfenes Mädchen, das sich schwimmend in Richtung Leuchtfeuer kämpfte. Ich dachte an tausend Erklärungen, tausend Wunder, tausend Rätsel und Gründe außerhalb aller Vernunft. Aber nur eine Sache zählte – meine Gefährtin war da, und ich musste einen Schritt vorwärts machen und sie in meine Arme nehmen.“ (S. 197) 
„Das hungrige Haus“ erzählt von einem Paar, das sich ein Haus gekauft hat und schließlich alle Spiegel auf den Dachboden verbannen, weil sie unabhängig voneinander in ihnen Angst einflößende Erscheinungen wahrnehmen, die der tragischen Geschichte des Hauses geschuldet sind, doch der im Bellman-Haus umtriebige Geist findet andere Wege, seinen Hunger nach Blut zu stillen … 
Robert Bloch (1917-1934) hat mit „Ich küsse deinen Schatten“ ein faszinierendes Zeugnis seiner Erzählkunst abgelegt. Ob Blutsauger, böse Geister, Vampire oder Hexen – Bloch findet stets einen interessanten Weg, das Grauen aus alltäglichen Situationen glaubwürdig auferstehen zu lassen und seine Geschichten mit wunderbaren, schwarzhumorigen oder auch schockstarrenden Pointen zu versehen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen