Obwohl James Myers „Jim“ Thompson bereits 1942 seinen ersten, hierzulande erst 2011 unter dem Titel „Jetzt und auf Erden“ erschienenen Roman veröffentlichte, zumindest in Literaturkreisen einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangen und in Hollywood auch als Drehbuchautor (für Stanley Kubricks „Wege zum Ruhm“ und „Die Rechnung ging nicht auf“) arbeiten konnte, wurde er erst posthum auch international für seine rabenschwarzen Noir-Romane geschätzt. Als Sam Peckinpah 1972 mit „Getaway“ die erste Verfilmung eines Thompson-Romans vorlegte, stand der aus Oklahoma stammende Autor bereits am Ende seiner Karriere und veröffentlichte 1973 mit „King Blood“ seinen letzten Roman, bevor er verarmt, von Alkoholsucht und diversen Schlaganfällen dahingerafft, 1977 verstarb.
Critchfield „Critch“ King hat vor dreizehn Jahren mit seiner Mutter die Ranch seines Vaters Isaac „Ike“ King verlassen und wurde von Raymond Chance, dem Liebhaber seiner Mutter, in die Welt des Betrugs und Verrats eingeweiht. Doch da es an der Zeit ist, dass der alte Ike einen Erben für seine riesigen Ländereien in Oklahoma sucht, ist es für Critch an der Zeit, nicht nur nach Hause zurückzukehren, sondern auch einen so guten Eindruck bei seinem Dad zu hinterlassen, dass dieser nur ihn als rechtmäßigen Erben bestimmen kann. Doch dazu benötigt Critch noch etwas mehr Geld, als er dem Anwalt Dying Horse abgenommen hatte.
Um seine beiden älteren Brüder Arlington („Arlie“) und Bosworth („Boz“) auszustechen, die auf der Ranch King’s Junction lebten und arbeiteten, muss Critch schon ein anderes Kaliber auffahren. Da kommt ihm die Bekanntschaft einer allein reisenden Frau im Bahnhof von Tulsa gerade recht. Durch einen Trick nimmt er ihr, als sie seinem Vorschlag nachkommt, sich auf der Toilette frisch zu machen, die beiden Koffer ab und versetzt sie beim Pfandleiher.
Wie sich herausstellt, kommt Critch so in den Besitz von zweiundsiebzigtausend Dollar. Er weiß allerdings nicht, dass die Dame, die er um ihr Geld erleichtert hat, die professionelle Mörderin Anne-Emma ist, die mit ihrer Schwester mehr als vierzig gutbetuchte Männer auf ihrem Gewissen hat. Auf der Ranch angekommen, sieht sich Critch im Nu als Teil eines durchaus blutigen Wettkampfs zwischen den Brüdern, bei denen auch Arlies und Boz‘ Indianer-Frauen Joshie und Kay munter mitmischen…
„Vorläufig musste er sich zurückhalten. Musste Arlie Zeit lassen, damit dessen Wachsamkeit nachließ und er unvorsichtig wurde; musste sich bei Old Ike noch mehr einschmeicheln; musste sich jeden zum Freund machen, der ihm später vielleicht nützlich sein konnte. Er brauchte nichts weiter zu tun als das, was er die ganze Zeit getan hatte. Arbeiten – und auf eine günstige Gelegenheit warten. Und für zweiundsiebzigtausend Dollar war er bereit, unbegrenzt zu warten.“ (S. 147)
Mit seinem letzten Roman holt Thompson noch einmal zum großen Schlag aus und präsentiert eine bunte Schar an Dieben, Betrügern, Verrätern und Mördern, wobei er kein Blatt vor den Mund nimmt. Ausgiebig lässt der Autor seine durchweg unsympathischen Protagonisten über ihre kriminellen Pläne und Gewaltfantasien schwadronieren. Vor seinem eigenen biografischen Hintergrund entfesselt Thompson eine wilde Odyssee, bei der nicht nur die drei King-Brüder sich für das anstehende Erbe ihres Vaters in die beste Ausgangsposition manövrieren wollen, sondern die beiden Killer-Schwestern auch die von Critch gestohlenen zweiundsiebzigtausend Dollar zurückholen wollen.
Beim Sex geht es dabei ebenso derb und unverblümt zu wie bei den immer mal wieder tödlichen oder doch zumindest blutigen Auseinandersetzungen. Im Gegensatz zu den eher subtil agierenden Femmes fatale des Noir-Genres sind Thompsons Weibsbilder in „Der King-Clan“ um keine Anmache und brutalen Attacken verlegen, sie stehen den Männern in nichts nach. Wer also auf bitterbösen, derben und kompromisslosen Thriller-Klamauk steht, ist mit „Der King-Clan“ gut bedient.