Nachdem sich Martin Schlosser vier Jahre als Hilfsarbeiter in einer Spedition durchgeschlagen hat und erste Erfolge als Autor für das Stadtmagazin „Diabolo“ und die Literaturzeitschrift „Der Alltag“ feiern durfte, ist er friesischen Schortens-Stadtteil Heidmühle sesshaft geworden, wo er sich eine Vierzimmerwohnung mit zwei tamilischen Flüchtlingen teilt.
Zwar hilft er nach wie vor in einer Kneipe aus, versucht sich aber mit seinen Aufsätzen, Glossen und Reportagen als freier Autor zu etablieren. Seine Reportage „Wer kennt eigentlich Meppen?“ in dem Satire-Magazin „Kowalski“ lässt seine in Oldenburg lebende Ex-Freundin Andrea wieder Kontakt zu ihm aufnehmen, aber wirklich erfüllend gestaltet sich Martin Schlossers Liebesleben Anfang der 1990er noch nicht. Ab und zu besucht er seinen verwitweten Vater in Meppen, um sich Vorhaltungen über seine verpfuschte Karriere anzuhören, Briefe an Ämter und öffentliche Anstalten diktieren zu lassen oder diverse Besorgungen für ihn zu machen.
Bei einem Tantra-Workshop lernt er die Gartenarchitektin Bettina kennen, doch die Beziehung ist nicht von Dauer. Interessanter gestaltet sich da schon das Verhältnis zur gerade mal zwanzigjährigen, wortgewandten und humorvollen Studentin Kathrin Passig aus Regensburg.
Schlossers Aufträge für „Kowalski“, „konkret“, „Der Alltag“ häufen sich und sorgen zunehmend für schwarze Zahlen auf seinem Girokonto.
„Ich trug den Scheck zur Sparkasse. Endlich wieder Filterzigaretten, Bier und Futter: Heringe und Pellkartoffeln mit Gurken und Dill. Und als Lektüre wieder die Zeit. Die Damenröcke, behauptet darin die Essayistin Silvia Bovenschen, würden immer kürzer:Schlosser freundet sich mit dem Illustrator Eugen Egner und Max Goldt an, zieht nach Berlin und beginnt dort, auch für das Stadtmagazin „Tip“ zu schreiben. Selbst ein Buchvertrag scheint in Aussicht …
Der Trend zur Verkleinerung dieser Textilie ist nicht aufzuhalten, ihre Verkürzung bis knapp unters Schambein ist unübersehbar.
Aber nicht in Heidmühle. Wo lebte denn diese Autorin? An der Reeperbahn?“ (S. 254)
Seit Gerhard Henschel 2004 mit „Kindheitsroman“ den Grundstein für die autobiografische Chronik seines Alter Egos Martin Schlosser gelegt hat, erfreut uns der ehemaliger Autor für Magazine und Zeitschriften wie „Der Alltag“, „Kowalksi“, „konkret“, „Titanic“ und „Merkur“ alljährlich mit einem neuen Band der außergewöhnlichen Lebensgeschichte eines Mannes, der am Ende des mittlerweile achten Romans in Berlin gelandet ist und 1992 seinen 30. Geburtstag feiert.
Bis dahin werden wir nicht nur Zeuge von Schlossers familiären Bindungen, sondern auch seiner amourösen Abenteuer und zunehmend erfolgreicherer Abnahmen seiner Artikel und Reportagen. Was die Schlosser-Romane und so auch den „Erfolgsroman“ aber besonders auszeichnet, sind die ebenso lose wie konsequent eingeschobenen Kommentare zum gesellschaftspolitischen und soziokulturellen Geschehen jener Zeit, die Henschel gerade in der Biografie seines Protagonisten abhandelt. So erleben wir aus Schlossers Perspektive den Streik der Bankangestellten, Saddam Husseins Massaker, Bob Dylans Bootleg-Serien, Monty Python’s Flying Circus, Twin Peaks, The Singing Detective, Stephen-King-Romane und die Aufarbeitung der Stasi-Akten, um nur einige Anekdoten zu nennen, die Henschel auf gewohnt knackige, lakonisch humorvolle Art kommentiert. Wir dürfen gespannt sein, wie es nächstes Jahr mit Martin Schlosser weitergeht!