Während ihr derzeitiger Freund Sholto den ganzen Tag lang zwischen irgendwelchen Nachrichtensendungen mit abgeschaltetem Ton hin- und herschaltet und dabei im Hintergrund Bob Dylan laufen lässt (was er für eine neue Kunstform erklärt), geht Bethany Mellmoth wie jeden Tag eines Jahres in ihre Stamm-Sushi-Bar. Ihren Wunsch, Sushi-Köchin zu werden und eine Sushi-Bar in London zu eröffnen, gibt sie jedoch sofort auf, als sie erfährt, dass dazu eine zweijährige Lehrzeit notwendig ist, in der man nichts anderes tut, als dem Sushi-Meister bei der Arbeit zuzusehen, ehe man selbst ein Messer in die Hand nehmen darf.
Mit ihrer beruflichen Karriere verhält es sich bei der 22-Jährigen wie im Liebesleben: Sie hat ihr Literaturstudium abgebrochen, nach sechs erfolglosen Vorsprechterminen ihre Ambitionen, Schauspielerin zu werden, abgeschrieben und will nun Schriftstellerin werden. Bis sie ihren ersten Roman bei einem Verlag untergebracht hat, jobbt sie in einem kleinen Laden, wo es antike Füllfederhalter und erlesene Papiersorten zu kaufen gibt.
Zwar hat sie schon einen Titel, aber mit ihrem Plot kommt sie nicht recht voran – bis sie im Green Park den Schriftsteller Yves Hill kennenlernt, der ihr ein paar gute Tipps gibt – auch dazu, wie sie am besten über die Trennung von Sholto hinwegkommt. Doch in der Folge hat Bethany weder Glück mit ihrer Statistenrolle bei einem Film über John Milton, noch bei den verschiedenen Männerbekanntschaften.
„Warum, fragt sie sich, ist es bloß so schwierig, sein Leben so hinzubekommen, dass alles läuft, wie man es sich wünscht? Immerzu Überraschungen, immerzu Sachen, die einem unerwartet in die Quere kommen. Sie wünscht sich nur eins, ein Leben ohne Überraschungen, zumindest mal einen Monat lang.“ (S. 88)In Anlehnung an F. Scott Fitzgeralds Klassiker „Der große Gatsby“ hat der gerade neu gegründete Schweizer Kampa Verlag mit der Edition „Der kleine Gatsby“ eine Reihe für leichtere Erzählungen ins Leben gerufen, für die William Boyds („Ruhelos“, „Die Fotografin“) Geschichte „All die Wege, die wir nicht gegangen sind“ einen wunderbaren Einstieg bildet.
In der humorvollen, mit leichter Hand geschriebenen Story begleitet der Leser die junge Protagonistin Bethany bei ungewöhnlich vielen Stolpersteinen ins Erwachsenendasein. Ohne ihre Rast- und Ziellosigkeit zu kritisieren, schildert der routinierte Autor, wie schnell sich Bethany in neue Beziehungen stürzt (und dabei immer sofort überlegt, wie sich der Nachname des potentiell Auserwählten mit ihrem Vornamen verträgt), ohne dabei auch nur im Ansatz glücklich zu werden. Aber auch in beruflicher Hinsicht schwebt der jungen Frau nichts Konkretes vor, außer etwas irgendwie Künstlerisches wie Malerei, Fotografie oder Schauspielerei, doch sobald die ersten Hürden auftreten, nimmt sie schon wieder Abstand davon.
Das ist einfach flott und mit sarkastischen Untertönen geschrieben und wartet mit humorvollen Wendungen auf, die Bethany nach all den Rückschlägen zum Glück immer wieder aufstehen lassen.
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