Fast zwölf Jahre schon sind Graham und Audra miteinander verheiratet, und Graham wundert sich noch immer, wie seine 41-jährige Frau immer und überall mit jedem über alles Mögliche plaudern und auch aus dem Stehgreif die irrwitzigsten Lügengeschichten aus dem Hut zaubern kann, wobei sie die kleinsten Informationen abspeichert. Wenn er seine Frau so im Alltag beobachtet, denkt Graham oft, dass sich Audra und er in Paralleluniversen befinden, denn oft genug verblüfft Audra ihn mit irrwitzig anmutenden Äußerungen, Beobachtungen und vor allem Handlungen.
So hat sie vor drei Wochen in einem Restaurant in Midtown den Mann der ungefähr fünfzigjährigen Bitsy (die sie nur von ein paar Treffen im Buchclub kennt) mit einem Mädchen im Minirock entdeckt, worauf sich der Mann (den Audra ebenfalls nur von einem Buchclub-Treffen her kennt, das bei Bitsy zuhause stattfand, und der als Banker arbeitet) für eine einmonatige Kreativpause nach Ithaca zurückgezogen hat. Aus ihrem Mitgefühl heraus hat Audra kurzerhand Bitsy vor drei Wochen bei sich zuhause aufgenommen. Immerhin kümmert sich Bitsy rührend um Grahams und Audras Sohn Matthew, der unter dem Asperger-Syndrom leidet und nur schwer Freunde findet. Doch dann entdeckt Graham Hinweise, dass Audra eine Affäre haben könnte, und spioniert ihr nach.
„Ach ja, Handys. Manchmal wünschte sich Graham, er hätte eine Affäre, nur damit er von den Annehmlichkeiten seines Handys profitieren konnte. (In etwa so, wie er manchmal mit dem Skifahren anfangen wollte, jetzt, wo es Fleece-Mützen gab, die nicht so juckten wie Wollmützen.) Aber was, wenn die eigene Frau schon immer an ihrem Handy gehangen hatte? Sie hatte auch immer am Festnetz gehangen! Audra vorzuwerfen, sie habe eine Affäre, weil sie zu viel telefoniere, wäre wie Tiger Woods vorzuwerfen, er habe eine Affäre, weil er zu viel Golf spielte. (Obwohl Tiger Woods hier vielleicht nicht der beste Vergleich war.)“ (S. 145)Er selbst baut unterdessen wieder eine Beziehung zu seiner eigentlich eher spröden, sehr auf Ordnung und Sauberkeit bedachten Ex-Frau Espeth auf, die er zufällig wiedertrifft und der er eine neue Wohnung besorgt. Aus den anfänglichen Vierer-Dates mit ihrem neuen Freund entwickelt sich schließlich eine ungewöhnliche Dynamik. Aber Graham und Audra haben nicht nur mit weiteren Mitbewohnern (wie dem Nachmittagsportier Julio) zu tun, die Audra immer so freigiebig einlädt, sondern auch mit angestrengten Bemühungen, Matthew wieder glücklich zu machen, nachdem sich sein einziger Freund Derek von ihm abgewendet hat.
Die Aufnahme von Matthew in den ambitionierten Origami-Club von Clayton und Manny scheint da nicht die Lösung zu sein …
Nachdem die in Washington, D.C., lebende Katherine Heiny mit „Glücklich, vielleicht“ ihr Debüt als Geschichtenerzählerin feierte, legt sie nun mit „Gemischte Gefühle“ ihren ersten Roman vor. Darin beschreibt sie mit viel Humor die vielschichtigen Gefühle, die sich im Laufe einer langjährigen Ehe entwickeln. Auch wenn er nicht als Ich-Erzähler auftritt, wird die Geschichte aus Grahams Perspektive erzählt, wobei Graham ebenso einfühlsam wie mit bissigem Humor die besonderen Eigenheiten seiner Frau ebenso beschreibt wie seine eigenen, eben sehr gemischten Gefühle bei dem, was er im Zusammenleben mit ihr beobachtet.
Heiny deckt dabei alle emotionalen Tiefen und Wirrungen ab, die das menschliche Herz im Beziehungsmodus zu empfinden vermag, zieht diese aber bei aller lakonischer Leichtigkeit nie ins Lächerliche, sondern bewegt sich einfach weiter unbeschwert zur nächsten Irritation.
Der erfrischende Humor macht das Lesen zu einer kurzweiligen, erfrischenden Angelegenheit, täuscht aber nicht darüber hinweg, dass Heiny mit ihrem Roman durchaus profunde Wahrheiten über das Beziehungsleben moderner Menschen offenbart.
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