Robert B. Parker – (Jesse Stone: 3) „Die Tote in Paradise“

Montag, 24. Dezember 2018

(Pendragon, 310 S., Tb./eBook)
Seit Jesse Stone sowohl seinen Job bei der Mordkommission in Los Angeles als auch seine Ex-Frau Jenn dort zurückgelassen hat, übt er nun seinen Dienst als Polizeichef in der Kleinstadt Paradise aus, wo er drei Abende die Woche in der „Paradise Men’s Softball League“ spielt und irgendwie seine Beziehung zu Jenn neu definieren muss. Die Wetterfee ist ihm nämlich nach Paradise nachgezogen, weil sie ebenso wie Jesse feststellen musste, dass die beiden trotz Jesses Alkoholproblemen und Jenns Seitensprüngen nicht so recht miteinander, aber auch auf keinen Fall ohne einander können.
Doch während Jenn bereits eine Therapie macht, muss sich Jesse erst mit dem Gedanken anfreunden, sich professionelle Hilfe zu holen, denn er ist sein ganzes Leben entweder Baseball-Spieler oder Cop gewesen und zählt so definitiv nicht zur üblichen Klientel für Psychiater. Seine Aufmerksamkeit wird aber gerade auch durch einen besonders grausigen Leichenfund gebunden: Der Körper des Mädchens, das im nahegelegenen See gefunden wurde, ist so stark verwest, dass das Opfer nur anhand eines Ringes festgestellt werden kann. Offenbar handelt es sich um ein Mädchen, das als „Dorfmatratze“ bekannt war und von seinen Eltern längst verstoßen wurde.
Über eine Nonne in Boston, die sich um obdachlose Mädchen kümmert, erhält Stone eine erste brauchbare Spur. Die weiteren Ermittlungen führen nicht nur zum Bestseller-Autor Norman Shaw, sondern auch zu dem Gangster Gino Fish und seinem Handlanger Alan Garner.
 „Was für ein Motiv gab es, ein Mädchen wie Billie zu erschießen? Vielleicht war sie ja nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen? Aber mit dieser Theorie kam er nicht weiter. Es war plausibler, sich an ihre Promiskuität zu halten. Er nahm noch einen Schluck Scotch und Soda. Sex war das einzig mögliche Motiv, das sie in den Tod getrieben haben konnte.“ 
Mehr als den vorangegangenen beiden Fällen um den alkoholkranken Polizeichef Jesse Stone nimmt in „Die Tote in Paradise“ das Privatleben des charismatischen Protagonisten fast ebenso viel Raum ein wie der zu lösende Kriminalfall. Das liegt nicht nur an der sehr offenen Kommunikation, die er bei den regelmäßigen Zusammenkünften mit Jenn am Mittwochabend führt, sondern auch an Dix, der ihm von Jenn empfohlen wird und selbst unter Alkoholproblemen litt, bevor er beschloss, anderen bei der Bewältigung ihrer Sucht zu helfen. Und schließlich ist da noch die attraktive Schulleiterin Lilly Summers, mit der Jesse eine Affäre anfängt. Sie erhofft sich schließlich mehr als nur ein Abenteuer, bekommt durch Jesse aber deutlich zu verstehen, dass er seine Beziehung zu Jenn noch zu kitten hofft.
Die Aufklärung des Mordes an dem jungen Mädchen erweist sich dazu als extrem zeitraubend, weil sich einfach keine Beweise für die Zusammenhänge finden lassen, die Stone und sein Team herstellen. „Die Tote in Paradise“ ist als Krimi nicht so spannend wie die ersten beiden Jesse-Stone-Bände, weil sich die Ermittlungen und die Auflösung auf vorhersehbaren Bahnen bewegen. Doch dieser dritte Fall bringt uns die Figur des mit den süßen Versprechungen des Alkohols kämpfenden Protagonisten auf persönlicher Ebene sehr viel näher, wobei die komplexe Beziehung, die er mit seiner Ex-Frau führt, nicht unbedingt nachvollziehbar sein muss.
Dafür sind Parker die Beschreibungen der Verlockungen, denen Jesse Stone immer wieder zu erliegen droht, sehr glaubhaft gelungen.

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