Im Januar 1990 wird ein altes Ehepaar auf einem abgelegenen Bauernhof brutal überfallen. Als der stellvertretende Polizeichef Kurt Wallander von den Nachbarn zum Tatort gerufen wird, kommt für Johannes Lövgren jede Hilfe zu spät, seine Frau Maria flüstert noch wiederholt „Ausländer“, bevor auch sie im Krankenhaus ihren schweren Verletzungen erliegt. Als die Suche der Polizei von Ystad in den Reihen ausländischer Mitbürger bei den Medien durchsickert, wird der rechtsradikale Mob aktiv, verübt einen Brandanschlag auf ein Wohnheim für Asylbewerber und bringt einen Somalier um. Wallander und seine Truppe finden zwar den ausländerfeindlichen Mörder, doch die Ermittlungen im Falle des Doppelmordes an den Lövgrens ziehen sich ohne erkennbare Erfolge dahin.
Erst als Wallander auf den mutmaßlichen Sohn von Johannes Lövgren stößt, den dieser mit seiner Geliebten gezeugt hat, und feststellt, dass der alte Lövgren durch Geschäfte mit den Nazis vermögend wurde, kommt Schwung in die Ermittlungen.
Doch nebenbei leidet Wallander unter der Trennung von seiner Frau Mona, die längst einen neuen Mann geheiratet hat. Seine Tochter Linda lässt sich kaum noch blicken, sein einsamer Vater droht zunehmend senil zu werden. Zu allem Überfluss verliebt sich Wallander kurz vor seinem 43. Geburtstag noch in die neue Staatsanwältin Anette Brolin, die vertretungsweise das Amt von Per Åkesson übernommen und ihren Mann in Stockholm zurückgelassen hat.
„Die Scheidung war durch nichts wieder rückgängig zu machen. Vielleicht würden sie hin und wieder gemeinsam essen gehen, aber ihre Lebenswege verliefen unweigerlich in verschiedene Richtungen. Ihr Schweigen trog nicht.„Mörder ohne Gesicht“ bildete 1991 den Auftakt der heute wegweisenden Romanreihe des schwedischen Schriftstellers Henning Mankell (1948-2015) und leitete hierzulande den bis heute anhaltenden Boom skandinavischer Krimikost ein, zu dem nachfolgend Autoren wie Hakan Nesser, Arne Dahl, Jo Nesbø, Jussi Adler-Olsen und Stieg Larsson ihren wichtigen Beitrag leisteten. Zwar erschien der Auftakt der Wallander-Reihe hierzulande bei Zsolnay im Jahre 2001 erst nach den späteren und besseren Romanen wie „Die fünfte Frau“, „Die falsche Fährte“ und „Hunde von Riga“, stellte den Lesern aber den charismatischen Kommissar als eine gebrochene Figur vor, der von seinen Ermittlungen an schwierigen Mordfällen ebenso vereinnahmt wird wie von persönlichen Problemen in Familien- und Liebesdingen.
Er begann, an Anette Brolin zu denken, und an die farbige Frau, die in seinen Träumen zu ihm kam. Die Einsamkeit hatte ihn unvorbereitet getroffen. Nun musste er sich dazu zwingen, sie anzunehmen, um dann vielleicht allmählich das neue Leben zu finden, für das niemand außer ihm selbst die Verantwortung übernehmen konnte.“ (S. 168f.)
Mit dem Mord an dem alten Bauernehepaar nimmt der Plot von Beginn an ordentlich Fahrt auf, doch nimmt Mankell sehr bald das Tempo heraus, lässt die Spannung in dem Maße schleifen, in dem Wallander keine Fortschritte mehr zu machen scheint und sogar falsche Ermittlungsansätze verfolgt. Die stagnierende Polizeiarbeit nutzt der Autor, um den Lesern seine Hauptfigur näher vorzustellen, allerdings werden die einzelnen Problemfelder jeweils nur kurz angerissen. Einzig das schwierige Verhältnis zu seinem Vater nimmt hier etwas mehr Raum ein.
In späteren Werken gelingt es Mankell, die Spannung gleichmäßiger aufrechtzuerhalten und das private Umfeld seines sehr menschlichen Protagonisten sorgfältiger auszutarieren. Doch trotz der erwähnten Schwächen bietet „Mörder ohne Gesicht“ gut geschriebene Krimi-Unterhaltung mit einem Kommissar, der in der Krimiszene einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.
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