(Diogenes, 208 S., Tb.)
Patrick „Pat“ Cosgrove ist gerade mal dreiunddreißig Jahre alt und hat bereits fünfzehn Jahre seines Lebens im Zuchthaus von Sandstone wegen eines gescheiterten Bankraubs abgesessen. Da seine Eltern mittlerweile verstorben sind und seine Schwester nichts mehr mit ihm zu tun haben will, konnte Cosgrove vor fünf Jahren nicht die erste Gelegenheit für ein Berufungsverfahren nutzen, und sucht nun per Brief jemanden, der sich vor dem Berufungsausschuss für ihn einsetzt.
Der Psychiater Dr. Roland Luther aus Capitol City setzt sich nicht nur für den jungen Mann ein, sondern besorgt ihm auch eine Unterkunft, teure Kleidung und einen leichten Job beim Straßenbauamt. Wie Cosgrove sofort vom Doc erfährt, praktiziert er seit Jahren nicht mehr, unterhält seine psychiatrische Klinik nur als Tarnung für seine krummen Geschäfte. Bereits die Gespräche, die Luther mit Senator Burkman und Myrtle Briscoe, der staatlichen Beauftragten für den Strafvollzug, führt, lassen bei dem ehemaligen Bankräuber das Gefühl aufkommen, dass Luther seinen Schützling für eine Mission braucht, über die er allerdings kein Wort verlauten lässt.
Die Sache wird für Cosgrove aber vor allem in dem Moment brenzlig, als er sich sowohl mit Luthers attraktiver Sekretärin Madeline Flournoy als auch Luthers promiskuitiver Frau Lila einlässt und den Detektiv E.A. Eggleston tot an seinem Schreibtisch entdeckt und die Leiche verschwinden lassen muss, um nicht als Täter ins Visier zu gelangen …
„Mein ganzes Leben war versaut worden. Das Beste, worauf ich jetzt hoffen konnte, war, dass ich meine Bewährung nicht verlor. Madeline war genauso verdorben und verbrecherisch wie der Rest, und sie würde genauso für alles bestraft werden. Aber … Ich wünschte mir, ich könnte aufhören, an sie zu denken.“ (S. 192)
Jim Thompson (1906-1977) zählt wie seine weit prominenteren Kollegen Raymond Chandler und Dashiell Hammett zu den wichtigsten Vertretern des Noir-Krimi-Genres, wurde als Drehbuchautor für Stanley Kubricks Frühwerke „Die Rechnung ging nicht auf“ und „Wege zum Ruhm“ bekannt, erlebte aber kaum noch mit, dass seine Romane „The Getaway“, „The Killer Inside Me“, „A Hell of a Woman“, „Pop. 1280“, „The Kill-Off“, „After Dark, My Sweet“ und „Grifters“ teilweise sehr erfolgreich von Regisseuren wie Sam Peckinpah, James Foley und Stephen Frears verfilmt wurden. Sein sechster Roman „Recoil“ entstand inmitten seiner produktivsten Zeit. 1953 erschienen neben diesem Roman noch drei weitere. Dabei bedient sich Thompson eines fast schon klassischen Noir-Plots: Ein völlig unbedarfter junger Mann kommt dank der Großzügigkeit eines einflussreichen Mannes zwar aus dem Gefängnis frei, begibt sich aber in eine schwer zu fassende Abhängigkeit, bei der gleich zwei Femmes fatale eine tragende Rolle spielen, aber natürlich auch die üblichen Verdächtigen in Form von korrupten Politikern und gierigen Detektiven und Anwälten.
Die Geschichte wirkt aber unnötig kompliziert aufgebaut, lässt so die Motive der Beteiligten bis zum Ende nicht so recht erkennen, so dass der meist als Ich-Erzähler eingesetzte Cosgrove nur ahnen kann, was mit ihm geplant wird, denn keiner der Leute, die ihm vermeintlich Gutes tun, rückt mit der Sprache raus, bis Cosgrove eines Abends überraschend vor einer Leiche im Büro eines Detektivs steht. „Revanche“ ist sicher nicht der beste Roman von Thompson, fasziniert aber durch seine undurchsichtigen Figuren, die über dem ganzen Setting schwebende unheilschwangere Atmosphäre und einen Hoch knisternder erotischer Spannung.