Richard Jones - „Verwunschenes England und Irland“

Montag, 9. März 2009

(Bechtermünz, 160 S., HC)
Spätestens durch die prächtigen Fotobände von Simon Marsden und Gerald Axelrod im Eulen Verlag ist das Interesse an britischen Spukorten und Gespenstergeschichten sprunghaft gestiegen. Der englische Forscher, Geisterjäger und Touristenführer Richard Jones unternimmt mit seinem üppig ausgestatteten Reiseführer eine unheimliche Exkursion zu über 130 gespenstischen Orten auf der britischen Insel und verbindet dabei historische Legenden, mündliche Überlieferungen und Augenzeugenberichte zu einem höchst unterhaltsamen, schaurig-schönen Lesevergnügen.
Die einzelnen Kapitel sind nach geografischen Kriterien geordnet, eine Landkarte mit Legende erleichtert die Verortung der einzelnen, zumeist öffentlich zugänglichen Spukorte, so dass jeder Geisterjäger sich leicht selbst auf die Suche nach diesen verwunschenen Orten begeben kann. So erfährt man von irischen Feen, Elfen und Kobolden, von Hexen in Suffolk, Norfolk und Essex, von grausamen Morden und Horrorgeschichten rund um London und dem Grauen, das vom Meer auf die Insel überschwappte. Historische Dokumente, Zeichnungen, unzählige, teils farbige, teils in atmosphärischem Duoton abgelichtete Fotografien (natürlich auch von Simon Marsden) und ein ausführliches Register runden das informative wie unterhaltsame Werk wunderbar ab.

Jerome Delafosse - „Im Blutkreis“

(Limes, 414 S., HC)
Nachdem der Wissenschaftler Nathan Falh nach einer missglückten Tauchexpedition mit der „Pole Explorer“ in der Arktis verunglückt ist, wacht er in einem norwegischen Krankenhaus aus dem Koma aus und kann sich an nichts erinnern. Als man ihm im Treppenhaus aber ans Leben will, erwachen Nathans nahkampferprobten Instinkte. Er entledigt sich der Killer und flüchtet nach Paris, wo er seinen ständigen Wohnsitz hat. Doch auch in der leeren Wohnung kommen die Erinnerungen an sein früheres Leben nicht zurück. Ein Fax führt ihn allerdings ins italienische Cesena, wo in einer Bibliothek das mysteriöse „Elias“-Manuskript aufbewahrt wird.
In ihm ist von einem Geheimbund namens „Der Blutkreis“ die Rede. Zusammen mit dem Bibliothekar Ashley Woods versucht Nathan nicht nur, das Geheimnis des mysteriösen Manuskripts und des darin erwähnten Geheimbundes zu entschlüsseln, sondern vor allem auch seine eigene Identität zu erfahren, die nach wie vor im Dunkeln liegt. Doch je mehr das Manuskript seinen Inhalt preisgibt und Nathan die Stätten seines früheren Wirkens aufsucht, desto unheimlicher offenbart sich seine eigene düstere Vergangenheit … Natürlich wird auch das Debüt dieses Franzosen mit Dan Brown verglichen. Obwohl es spannend geschrieben ist, entwickelt sich die Geheimbund-Geschichte erst nach über der Hälfte des Romans und hat dann wenig mit den derzeit so beliebten christlichen Verschwörungstheorien zu tun.

John J. Dunne - „Irland - Die Welt der Geister“

(Eulen, 120 S., HC)
Dass die britischen Inseln einen wahren Fundus an Geistergeschichten besitzen, hat vor allem der englische Fotograf Simon Marsden ausgiebig in seinen schaurig-schönen Bildbänden über Spuk und Gespenster in Großbritannien dokumentiert. Aus seinem Archiv stammen auch die vierzig Fotografien, die die von John J. Dunne gesammelten Spukgeschichten aus Irland stimmungsvoll illustrieren.
Er berichtet von der typisch irischen Banshee, die als Art Todesbotin betrachtet wird, von Phantomhunden (man erinnere sich nur an Sherlock Holmes’ Abenteuer in „Der Hund von Baskerville“) und grauenhaften schwarzen Katzen, von ruhelosen Geistern in alten Herrenhäusern, merkwürdigen Todesfällen und noch unheimlicheren Geräuschen in den Gemäuern labyrinthartiger Schlösser. Ob es sich um „dämonische Heimsuchungen“, „Todesboten“ oder „Vorzeitiges Ableben“ handelt, um nur einige Kapitel zu nennen, stets wird deutlich, dass in den noch immer lebendigen Geschichten eine uralte Tradition Irlands bewahrt wird, die den Geistern eine unheimliche Macht zugesteht. Wie faszinierend diese Geschichten auch für uns noch sind, bewies erst Tim Burton mit „Sleepy Hollow“, wo genau eine dieser Geschichten über einen kopflosen Reiter erzählt wurde, die auch John J. Dunne wiedergibt. Neben Marsdens atmosphärischen Bildern sorgen auch Gedichte von Thomas Moore und Gerald Griffin für angenehmes Gruseln. Und wer dann erst richtig Lust aufs Gruseln bekommen hat, kann sich im Internet unter www.irelandseye.com/ghost/index.shtm selbst auf Geistersuche begeben.

Rainer Rother - „Leni Riefenstahl. Die Verführung des Talents“

Sonntag, 8. März 2009

(Henschel, 288 Seiten, HC)
Lange Zeit ist Leni Riefenstahl einfach ein Tabu-Thema, eine Unperson gewesen. Es reichte die Vorstellung vom Werk, nicht seine genaue Analyse, dass auf die „NS-Filmerin“ reduziert wurde. Seit einigen Jahren findet allerdings eine sachorientiertere Diskussion um die wohl umstrittenste Regisseurin aller Zeiten statt, wobei man sich um eine kulturgeschichtliche Einbettung in das Deutschland der 30er und 40er Jahre bemüht. Genau hier setzt Rother mit seinem Bemühen an, etwas mehr Licht in das Dunkel der rätselhaften Persönlichkeit Riefenstahl zu nähern, die selbst in ihren Memoiren noch behauptete, von Hitler zu Parteitagsfilmen gezwungen worden zu sein, die Regie für „Olympia“ (1938) nur widerwillig angenommen zu haben und sich „Tiefland“ (1940/1954) nur gewidmet zu haben, weil ihr eigenes Projekt „Penthesilea“ zu Zeit des Krieges nicht recht am Platze schien.
Rother rekonstruiert dagegen das Bild einer ungewöhnlich willensstarken Frau, die sich in der Männerdomäne des Films gegen alle Widerstände zu behaupten wusste. Er zeichnet das Portrait einer ebenso talentierten wie durchsetzungsfähigen Frau, deren bemerkenswerteste Filme ausgerechnet Propagandawerke gewesen sind. Doch ihre nachhaltige Wirkung ist noch heute in der Sportberichterstattung, in der Werbung und in Historienfilmen zu erkennen. Rother beschäftigt sich bei seiner nüchternen, aber analytisch genauen Auseinandersetzung mit Leni Riefenstahls Leben und Werk konsequenterweise auch mit der Nachkriegszeit, für die die Regisseurin und Fotografin ebenso Symbolfigur wurde wie für den Nationalsozialismus. Er zeigt dabei, wie stark die öffentliche Ablehnung Riefenstahls mit der Verdrängung des einstmals vielgeliebten NS-Regimes zusammenhängt und wie zerrissen Riefenstahl selbst ihre Rolle im Hitler-Deutschland erlebt hat. Das vor allem auch in historisch interessante Werk räumt mit einigen Legenden auf, die sich um die mal als „Genie“, mal als „Propagandistin“ bezeichnete Riefenstahl ranken, und wird durch einen wundervollen Bildteil entsprechend abgerundet.

Alfred Pfabigan - “Gottes verbotene Worte. Was die Bibel verschweigt”

(Eichborn, 432 S., HC)
Obwohl die christliche Kirche in ihrer jahrhundertelangen Geschichte immer alles daran gesetzt hat, alle Texte christlichen Ursprungs, die nicht dem offiziellen Kanon der Bibel entstammen, zu unterschlagen, zu verdrängen und zu verteufeln, haben die sogenannten Apokryphen (griechisch: das Verborgene) gerade im heutigen, immer mehr von verschiedenen esoterischen Lehren durchsetzten Jahrhundert nichts von ihrer Anziehungskraft verloren und waren schon in der frühchristlichen Ära Inspiration für gnostische und manichäische Sekten.
Während die Bibel nur einen Bruchteil der koptischen, altjüdischen und aramäischen Quellen enthält, hat der Professor für Philosophie, Politik- und Kulturwissenschaftler Alfred Pfabigan nun einige der unterschlagenen und durch päpstliches Dekret verteufelten Texte zusammengesucht und sie mit dem Alten Testament, den Schöpfungsgeschichten, Evangelien, Apostelgeschichten und der Apokalypse so zusammengestellt, dass sie dem Aufbau der offiziellen Version der Bibel folgen.
Bei der unterhaltsamen Lektüre der Texte, die sich teilweise stark von der kanonisierten Variante unterscheiden, wird schnell deutlich, warum sie bei der Zusammenstellung der offiziellen Bibel unter den Tisch fielen: So schlugen sich nach dem Buch Ephraim Kain und Abel nicht um Gottwohlgefälligkeit, sondern um eine verführerische Frau. Der kleine Jesus lässt einen Spielkameraden verdorren und tötet einen anderen mit bloßen Worten. Und im Evangelium Barnabas wurde nicht etwa Jesus gekreuzigt, sondern - als Strafe für seinen Verrat - Judas. Der überlebende Jesus verkündete, dass nicht er der Messias sei, sondern Mohamed. Obwohl natürlich klar wird, warum solche Texte von der Kirche verboten wurden, plädiert Pfabigan nicht für eine andere Kirche, sondern nur für einen weniger ängstlichen Umgang mit unserer Tradition. Auf jeden Fall bietet „Gottes verbotene Worte“ rätselhafte, sinnliche und amüsante Unterhaltung. Zudem zeigt der Autor in einem längerem Vorwort die interessante Entstehungsgeschichte der Bibel, die Machtkämpfe während der Kanonisierung ihrer Texte und auch Freuds psychoanalytische Auseinandersetzung mit der Bibel auf, deren Geschichten auch heute noch in der Hoch- und Populärkultur stetig wiederholt werden.

Peter O. Chotjewitz - „Machiavellis letzter Brief“

(Europa, 452 S., HC)
Christian Weise ist ein junger und hochtalentierter, aber noch recht unbekannter Dichter und Philosoph, der im Jahre 1664 den delikaten Auftrag erhält, für die berühmte Wolfenbütteler Bibliothek den angeblich letzten Brief des großen Florentiner Denkers und Dichters Niccolò Machiavelli käuflich zu erwerben. Der Leser wird in Form eines Reiseberichts, den Weise in Art von Tagebuchaufzeichnungen seinem Herrn, den Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel vorlegt, Zeuge einer recht abenteuerlichen Reise, die den jungen Philosophen von Braunschweig über Augsburg nach Sant’ Andrea bei Florenz führt, wo eine gewisse Ippolita Machiavelli im Besitz des unglaublichen Dokuments sein soll.
 Über einige Umwege endlich am begehrten Ziel angekommen, legt ihm Ippolita nicht nur einen Brief, sondern gleich eine längere autobiographische Erzählung Machiavellis vor. Allerdings bleibt dem deutschen Philosophen nicht viel Zeit zur Überprüfung der Echtheit des Manuskripts. Als Ippolita ermordet aufgefunden wird, gerät Weise unter dringenden Tatverdacht. Seine Flucht verläuft ähnlich abenteuerlich wie die beschwerliche Hinreise. Wenn man genügend Interesse an historischen Stoffen aufbringen mag und sich weder von der altertümlichen Sprache noch den unzähligen Namen abschrecken lässt, erhält man einen wundervollen Einblick in die italienische Kultur sowohl aus der Zeit Machiavellis (1469-1527) als auch aus der Zeit der Reise anderthalb Jahrhunderte später. Vor allem das gut fünfzigseitige Nachwort des Autors erhellt einige wichtige Zusammenhänge und historische Hintergründe.

Henri Loevenbruck - „Das Jesusfragment“

(Knaur, 431 S., Pb.)
Mit seiner HBO-Fernsehshow „Sex Bot“ ist der französische Drehbuchautor Damien Louvel in New York momentan total angesagt. Doch die gescheiterte Ehe mit einer schlechten Schauspielerin und die Absage an frühere Alkohol- und Kokain-Exzesse haben den jungen Mann geläutert. Die Nachricht vom Unfalltod seines verhassten Vaters, den er seit dem Tod seiner Mutter vor elf Jahren nicht mehr gesehen hatte, berührt ihn zunächst wenig. Dennoch reist er nach Paris, um als einziger noch lebender Verwandter die letzten Angelegenheiten seines Vaters zu regeln.
Überrascht stellt er dabei fest, dass dieser neben seiner geliebten Wohnung in Paris noch ein Haus auf dem Lande in Gordes gekauft hat, das – wie er später erfährt – Chagall gehört hatte. Als er sich mit einer Harley auf den Weg nach Gordes macht, lernt er die attraktive Journalistin Sophie de Saint-Elbe kennen, die durch Damiens Vater Informationen über zwei geheimnisvolle Dokumente erhielt, die mit dem Stein von Iorden zusammenhängen und beweisen sollen, dass diese Reliquie tatsächlich existiert haben soll. Bei ihren gemeinsamen Recherchen stoßen Damien und Sophie auf verschiedene Geheimorganisationen wie den Bilderberg, Opus Dei und Acta Fidei, die offensichtlich auch ein starkes Interesse an dem Stein haben, denn schon bald geraten die beiden Ermittler in deren Schussfeuer … Dass nach den anhaltenden Bestsellererfolgen von Dan Browns Vatikan-Mystery-Thrillern immer mehr Nachahmungstäter auftauchen würden, war vorauszusehen, und das nicht nur in den USA. Nach Julia Navarros „Die Bruderschaft“ aus Spanien sorgt nun Henri Loevenbruck aus Frankreich für kurzweilige, spannende Unterhaltung rund um die dunkle Seite des Vatikans.

Michael Baigent/Richard Leigh - „Verschlusssache Magie - Wir werden noch immer von magischen Kräften gesteuert“

(Droemer Knaur, 496 S., HC)
Angesichts des weithin verbreiteten und kaum, wenn mittlerweile auch immer häufiger angezweifelten Glaubens an die Wissenschaft und Technologie wirkt der Untertitel des neuen Werks der Erfolgsautoren Baigent/Leigh („Verschlusssache Jesus“, „Der Tempel und die Loge“) etwas unglaubwürdig, ja sogar provozierend. Das englische Autorengespann behauptet nämlich, dass der Erfolg der westlichen Zivilisation nicht auf der Vernunft und der Wissenschaft beruht, die seit dem 17. Jahrhundert im letztlich erfolgreich verlaufenden Wettbewerb mit der Philosophie, den Künsten und der etablierten Religion stand, sondern auf einer von Zauberern, Magiern, Schamanen und Sehern begründeten uralten Tradition.
Dass wir diesen magischen Kräften auch heute noch unterliegen, auch wenn wir sie bewusst nicht mehr wahrnehmen, machen Baigent und Leigh an der Tatsache fest, dass wir immer noch für Manipulationen durch Werbung, Musik und Propaganda anfällig sind, ohne dass die einseitige Ausrichtung auf die Rationalität etwas dagegen ausrichten könne.
Baigent/Leigh gehen mit „Verschlusssache Magie“ auf die Spurensuche nach diesen magischen Einflüssen in unserem Leben und versuchen darzustellen, auf welche Weise sie in der heutigen Zeit noch ihre Wirkung ausüben. Eine Schlüsselstellung nimmt dabei die Hermetik ein und eine als Corpus Hermeticum bezeichnete geheimnisvolle Lehre, denn diese bot Perspektiven, die über die engen Grenzen der Wissenschaft hinausführten, und Einsichten, wie die Magie von den Mechanismen der modernen westlichen Gesellschaft benutzt und ausgebeutet wurde.
Im ersten Teil ihres Buches machen uns Baigent/Leigh mit den magischen Traditionen des Abendlands vertraut, mit Hermes, den alexandrischen Mysterien, der Alchemie und der Magie im frühen Mittelalter, in der Renaissance. Sie erläutern die okkulten Lehren eines Agrippa von Nettesheim, John Dee und Giordano Bruno, um dann Verbindungen zwischen dem hermetischen Denken und den Künsten herzustellen.
Magie definieren die Autoren kurz als „die Kunst, Dinge geschehen zu machen“. Dazu zählen natürlich auch manipulative Techniken, und diese sind es, mit denen sich Baigent/Leigh zunächst im zweiten Teil ihres Werkes auseinandersetzen: Manipulation in den Sekten, in der Politik, in der Werbung und in den Medien. Manipuliert wird die Wirklichkeit, die menschliche Wahrnehmung und das Image.
Offensichtlich scheint allein die Kunst im 20. Jahrhundert zum Überlebungsraum der Hermetik geworden zu sein. Der von Baigent/Leigh viel zitierte Autor Lawrence Durrell jedenfalls prophezeite, dass die Menschheit erst dann Reife erlangen würde, „wenn der Mob zum Künstler wird“. Davon sind wir heute zwar noch weit entfernt, aber schließlich fangen auch immer mehr sogenannte normale Menschen an, sich in die Bereiche von Psychologie, Philosophie und Kunst vorzuwagen. Laut Baigent/Leigh sollte die Phantasie nämlich integraler Bestandteil all unserer mentalen Fähigkeiten sein. „Sie ermöglicht es uns, vielleicht zum ersten Mal die Auswirkungen und Folgen unseres Tuns zu erkennen; und somit hilft sie uns, einen moralischen Rahmen für unser Leben zu schaffen“, schreiben sie zum Schluss. „Die Phantasie benutzen heißt wach werden.“
Es ist äußerst spannend und unterhaltsam, den beiden Autoren bei ihrem Streifzug durch die Geschichte der Magie und ihren Erscheinungsformen in der heutigen Zeit zu begleiten. Darüber hinaus versteht das Buch aber auch vielleicht wirklich, den für solche Fragen offenen Leser dazu zu bewegen, seine Lebensumstände zu überdenken und gefeiter gegen die suggestiven Kräfte gerade der Medien zu werden.

Arnold Stadler - „Sehnsucht“

Freitag, 6. März 2009

(Du Mont, 328 S., HC)
Er wollte schon immer mal „mein Buch“ schreiben, eine Art „Apologia pro vita sua“, eine Verteidigung des eigenen Lebens, ein Buch über seine Erinnerungen vom ersten Mal und von der Sehnsucht. Es könnte aber auch die Autobiographie seines Schwanzes sein, den er liebevoll Max nennt. Tatsächlich schlägt Arnold Stadler nach seinem hochgelobten Roman „Ein hinreißender Schrotthändler“ einen weiten Bogen quer durch sein Leben und wieder zurück, macht mal hier Station, mal dort, immer ganz episodenhaft und spontan.
Wie er nach Berlin geflüchtet ist, um dem Wehrdienst zu entgehen, erfährt man, über seinen Vortrag, den er in Bleckede hält, von seiner Reise durch die Lüneburger Heide und den sinnlichen Erinnerungen an seine Friseurbesuche, wo sein Kopf bei der eigentlich zu kostspieligen Haarwäsche im Busen seines Schwarms, über den Schulausflug mit Herrn Schultze, von der Sehnsucht nach dem Meer. Vor allem lässt sich Stadler über seine ständigen Erektionen lang und breit aus – deshalb hätte das Buch auch die besagte Autobiographie seines Schwanzes sein können, was es letztlich vielleicht auch ist. Hat man sich erst einmal an Stadlers manchmal etwas gezwungen umständliche Sprache gewöhnt und an die willkürlich wirkenden Zeitsprünge, vermag der komische wie melancholische Ton seiner Lebensgeschichte durchaus zu unterhalten.

Till Lindemann - „Messer“

(Eichborn, 176 S., HC)
In erster Linie kennt man Till Lindemann als Frontmann von Rammstein. Mit seinen expliziten, manchmal fast schaurig und brutal wirkenden Texten hat er stets für die passende Begleitung der schneidend scharfen Rammstein-Gitarren- und Rhythmus-Attacken gesorgt. Doch Till Lindemann hat seit jeher auch abseits des Rammstein-Song-Kontextes geschrieben.
Sein langjähriger Freund Gert Hof hat aus über tausend ihm vorliegenden Texten eine erste Auswahl getroffen und sie für den vorliegenden Band in Zusammenhang mit einer Foto-Reihe veröffentlicht, die wenig dazu geeignet ist, die ungewöhnlichen Gedichte zu illustrieren, aber durchaus demonstrieren, dass Till Lindemann sich tatsächlich als Kunstprodukt in einer artifiziellen Umgebung betrachtet und nicht der brutale Gewaltverbrecher und Menschenschlächter ist, der da manchmal aus seinen Texten zu sprechen scheint. Vielmehr ist der stark vom Schweizer Symbolisten Conrad Ferdinand Meyer beeinflusste Lindemann ein sensibler Beobachter seiner Umwelt, der mit seinen messerscharfen Texten oft genug in die Wunden unserer verletzlichen Seelen sticht. Gert Hof beschreibt die Gedichte treffend als „verbale Hinrichtungen“, „poetischen Suizid“ und „Wunden aus Verzweiflung und Hoffnung“. Rammstein-Kenner werden den unverwechselbaren Stil Lindemanns sofort erkennen und doch wirken die drastisch formulierten Texte persönlicher und oft schockierender.

Carlos María Domínguez - „Das Papierhaus“

(Eichborn, 93 S., HC)
Als die an der Universität Cambridge lehrende Literaturdozentin Bluma Lennon mit einem Gedichtband von Emily Dickenson aus einer Buchhandlung tritt, wird sie – wie selbst einmal vorausgesagt hat – von einem Auto überfahren. Wenig später nimmt ihr Kollege und Nachfolger ein in Uruguay aufgegebenes Päckchen für sie an, in dem sich ein von Zement verklebtes Exemplar von Joseph Conrads „Die Schattenlinie“ befindet, das mit einer Widmung Blunas an einen gewissen Carlos versehen ist.
Blunas Kollege vermutet, dass es sich um eine der Affären handeln muss, die seine alternde Kollegin zu ihrer Eitelkeit unterhielt, und versucht, sich selbst einige interessante Fragen zu beantworten, vor allem, warum das Buch nach zwei Jahren, nachdem es von Bluna verschenkt worden ist, wieder nach Cambridge zurückkehrt und was es mit der Zementkruste auf sich hat. Also macht sich der Dozent auf die Reise, zunächst in seine Heimatstadt Buenos Aires, dann nach Montevideo, wo er Jorge Dinarli in einer der größten antiquarischen Buchhandlungen der Stadt aufsucht, der ihn wiederum an Delgado verweist, einen alten Freund von Carlos Brauer. Dieser, selbst ein Büchersammler, erzählt ihm von Brauers Dasein, das ganz dem Lesen und Sammeln von Büchern gewidmet war und irgendwo an einem Strand bei La Paloma mündete, wohin Brauer ausgewandert war, um aus seinen Büchern ein Haus zu bauen. Dort wird dem Erzähler endgültig klar, wie Bücher das Leben von Menschen prägen und auch zerstören können … Wunderbar melancholische, poetische und geistreiche Erzählung über die manchmal auch zerstörerischen Leidenschaften des Lesens und Büchersammelns, letztlich aber über die Magie von Büchern schlechthin.

Kjell Johansson - „Die Traumseglerin“

Donnerstag, 5. März 2009

(Claassen, 336 S., HC)
Als Evas Mutter im Juni 1993 beerdigt wird, empfindet sie wenig Trauer, sondern eher ein Gefühl der Erleichterung und Befreiung. Auf der anderen Seite erfasst die Lehrerin an einem Abendgymnasium eine seltsame Unruhe. Als sie mit ihrem Bruder Einar am nächsten Tag die letzten Sachen ihrer Mutter aus der Wohnung ihrer Mutter räumt, beschließt sie, nach Skogstorp zu fahren, wo sie mit ihrem Bruder mal einen Sommer bei ihren Verwandten verbracht hatte. Im November macht sie sich schließlich auf den Weg und stattet ihrer Tante Helga, Onkel Elis, ihrem Cousin Bruno und allen weiteren Verwandten einen Besuch ab.
Die Erinnerungen an den geheimnisvollen Landstreicher, dem sie zu essen brachten, an ihren gleichaltrigen Freund Axel und andere Jungs, mit denen sie flirtete, scheinen Evas eintönigem Leben als Lehrerin wieder etwas Glanz zu verleihen, doch der Aufenthalt in Skogstorp bleibt nicht ganz ohne Konflikte und Eifersuchtsszenen. Mit der Zeit weiß Eva nicht mehr, ob sie ihren Erinnerungen trauen darf, denn immer wieder werden schreckliche Ereignisse von damals ins Hier und Jetzt reflektiert, so dass Traum und Wirklichkeit, Gegenwart und Vergangenheit immer diffuser ineinander übergehen… Sehr gefühlvolle wie aufwühlende Geschichte über die merkwürdige Kraft der Erinnerungen.

Kenneth Cook - „In Furcht erwachen“

(C.H. Beck, 191 S., HC)
Nachdem er ein Jahr lang 28 Schüler zwischen fünf und siebzehn in der Schule des australischen Wüstendorfes Tiboonda unterrichtet hatte, stehen dem jungen Lehrer John Grant sechs Wochen bezahlte Winterferien bevor, die er in Sydney bei Verwandten verbringen möchte, um dort nach einem neuen Job zu suchen. Mit seinem Lohnscheck über hundertvierzig Pfund und zwanzig Pfund Bargeld macht er sich nach am Abend auf den Weg nach Bundanyabba, von wo er tags darauf mit dem Flugzeug weiter nach Sydney fliegen will. Doch dann zieht es ihn in das schummrige Hinterzimmer einer Kneipe, wo er sich schnell an einem Two-up-Münzwettspiel beteiligt.
Berauscht von seinem unverhofften Gewinn über zweihundert Pfund macht er sich auf den Weg ins Hotel und überlegt, was er mit dem Geld anfängt. Grant beschließt, sein Glück noch einmal zu versuchen, kehrt in den Club zurück – und verliert alles! Was folgt, ist eine wenig erbauliche Reise. Er betrinkt sich besinnungslos, geht mit ein paar Typen auf Känguru-Jagd und versucht, nach Sydney zu trampen. Dabei wird ihm immer wieder bewusst, dass er auch andere Entscheidungen in seinem Leben hätte treffen können … Das 1961 erstmals veröffentlichte Buch des 1987 verstorbenen Kenneth Cook ist nicht nur als „Outback“ erfolgreich verfilmt worden, sondern die erschütternde Geschichte in der existentialistischen Tradition von Camus und Hemingway ist auch Schullektüre in Australien geworden.

Bernd Harder - „Das Lexikon der Großstadtmythen“

(Eichborn, 320 S., HC)
Verschwörungstheorien-Anhänger wurden im Eichborn-Verlag bereits mit dem „Lexikon der Verschwörungstheorien“ von „Illuminatus“-Autor Robert Anton Wilson bestens bedient. Als sinnvolle Ergänzung erscheint da nun mit dem Untertitel „Unglaubliche Geschichten von Astralreisen bis Zombies“ ein Lexikon über die faszinierendsten Phänomene moderner Mythen, die Bernd Harder als Journalist der Zeitschrift „Skeptiker“ und Pressesprecher der „Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften“ auf ebenso fundierte wie lesenswerte Weise zusammengestellt hat.
Dazu zählen Geschichten wie die Asbestverseuchung von Tampons, tödliche Wurmarten in Dönern, die sich durch den ganzen Körper bis ins Gehirn fressen, oder ganz einfach die „Männer in Schwarz“. Dass solche oft haarsträubenden Geschichten, die uns von der Nachbarin einer Freundin und noch mehr Ecken oder auch durch die Zeitung und Ketten-e-Mails übermittelt wurden, so leicht und ungefiltert unseren Verstand passieren, erklärt der Autor damit, dass sie eine andere, überlegene Instanz in uns ansprechen: das Gefühl. Harder geht nach Kategorien wie „Außerirdisches“ (Alien-Autopsie, Bermuda-Dreieick, Area 51), „Esoterik“ (Feng-Shui, Kristallschädel, „Die Prophezeiungen von Celestine“), „Gesellschaft“ (Busenstarren hält Männer fit, tödliche Briefumschläge), „Medien“ (Amityville Horror, Blair Witch Project, Poltergeist, Snuff-Filme) und „Sex“ (Mündliche Befriedigung, Scheidenkrampf) ausgewählten Mythen auf den Grund. Das ist für Skeptiker und Gläubige gleichermaßen ein amüsantes wie interessantes Lesevergnügen.

Robert Anton Wilson - “Das Lexikon der Verschwörungstheorien”

(Eichborn, 400 S., HC)
Als Chris Carters apokalyptisch angehauchte Serien “Millennium” und “Akte X” jahrelang erfolgreich das Montagabend-Programm bei PRO 7 gestalteten, hatten Verschwörungstheorien  Hochkonjunktur. Bei der anwachsenden Masse der Vermutungen, wer John F. Kennedy und Marilyn Monroe ermordet hat, wer die “Men In Black” wirklich sind und wer die Welt tatsächlich regiert, wurde es höchste Zeit, dass jemand Licht ins Dunkel der vielfältigen Verschwörungstheorien bringt, und wer könnte dies besser als Robert Anton Wilson, der mit seiner berühmten “Illuminatus”-Trilogie auf amüsante wie intellektuell anregende Weise zwei gigantische Weltverschwörungen thematisiert hatte?
Getreu dem einleitenden Motto “Bloß weil du nicht paranoid bist, heißt das noch lange nicht, dass sie nicht hinter dir her sind” und der Tatsache, dass drei von vier US-Bürgern der Überzeugung sind, dass die US-Regierung regelmäßig in geheime und verschwörerische Aktivitäten verstrickt sei, scheint man mittlerweile alles durch das “Vergrößerungsglas des Bösen” (Wilson) zu betrachten und überall die Schuldigen für das ökologische Ungleichgewicht, die Drogenkartelle, Kriege und Armut suchen zu wollen.
Geheimdienste scheinen dabei eine besondere Rolle zu spielen, denn ihnen obliegt nicht nur das Sammeln von präzisen Informationen, sondern auch die Herstellung und Verbreitung falscher Informationen. Wilson geht in seinem umfangreichen Kompendium insgesamt 350 Konspirationstheorien von A-Z auf den Grund, wobei jeder, der weiter nachforschen möchte, anhand von Literaturhinweisen und Internet-Adressen am Ende jeder Eintragung seine eigenen Theorien spinnen kann. Für “Akte X”- und “Millennium”-Fans ein absolutes Muss!

Brian Azzarello/Eduardo Risso - „100 Bullets: Der unsichtbare Detektiv“

(Speed/Tilsner, 144 S., Pb.)
Der draufgängerische Privatdetektiv Milo Garret geht keinem Kampf aus dem Weg, doch nach dem letzten blieben üble Blessuren zurück. Im achten Band der Comic-Serie „100 Bullets“ wacht Garret mit voll bandagiertem Kopf im Krankenhaus auf, nachdem er bei einem Autounfall durch die Windschutzscheibe geflogen war. Ein gewisser Agent Graves sucht ihn im Krankenhaus auf, erzählt ihm, dass es sich bei seinem Missgeschick um keinen Unfall, sondern um eine Botschaft handelte. Er übergibt ihm einen Aktenkoffer mit allen Beweisen, einer nicht registrierten Waffe und 100 ebenfalls nicht zurückzuverfolgenden Patronen.
Doch so offensichtlich und gut alles zusammenpasst, muss an der Sache etwas faul sein. Also sucht Garret nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus den Kunsthändler Karl Reynolds auf, der Garret engagiert hatte, um den zwielichtigen Importeur Monroe Tannenbaum ausfindig zu machen. Doch Reynolds hat mit einer Kugel im Kopf nichts mehr zu sagen. Garret findet Tannenbaum schließlich in seinem Stamm-Sexlokal und wird auf eine neue Spur gebracht, doch vorher schiebt er noch zwei Nummern mit der Barkeeperin Nadine… Auch der achte Band der genialen Serie um den coolen Detektiv Milo Garret nimmt in keiner Weise ein Blatt vor den Mund. Auch wenn Sex und Gewalt dabei an Explizität nichts zu wünschen übrig lassen, überzeugt „Der unsichtbare Detektiv“ vor allem durch seine spannende Story, die düstere Film-Noir-Atmosphäre und coole Charaktere.

Mark Costello - „Paranoia“

Mittwoch, 4. März 2009

(Goldmann, 432 S., HC)
Die beiden ungleichen Geschwister Vi und Jens Asplund wuchsen im beschaulichen Center Effing, New Hampshire, auf und wurden in ihrer Kindheit maßgeblich durch ihren skurrilen Vater, den Versicherungsgutachter Walter Asplund, geprägt, den sie auf seinen Fahrten zu Unglücksstellen von entgleisten Güterzügen oder abgebrannten Häusern begleiten durften. Vi verdingte sich daraufhin beim Secret Service und gehört nun dem Personenschutz-Team an, das jeden Schritt des Vizepräsidenten überwacht und ihn von jeder möglichen Gefahr abschirmt. Jens, der schon als Kind bei „Jugend forscht“-Wettbewerben glänzte, ist leitender Programmierer für das Internet-Action-Spiel „BigIf“, das sein Vater für amoralisch hielt.
Sowohl Vi als auch Jens sind beruflich viel zu eingespannt, um viel voneinander zu haben. Und dann ist da noch Jens’ Frau, die erfolgreiche Immobilien-Maklerin Peta Boyle, die nur noch superteure, superschicke Anwesen betreut, es dabei aber auch mit äußerst anstrengenden Kunden zu tun hat, deren ausgefallenen Wünsche Peta nur mit größtem Einfühlungsvermögen zu befriedigen vermag. Während auf der einen Seite Paranoia das bestimmende Lebensgefühl im heutigen Amerika zu sein scheint, steckt das Leben der Protagonisten in diesem Roman voller Überraschungen, Probleme und kleinen Katastrophen, gegen die auch die intensivsten Schutzmechanismen nichts ausrichten können. Der zweite Roman des ehemaligen Staatsanwalts Mark Costello besticht durch seine erstklassige Beobachtungsgabe und den skurrilen Humor, weshalb der Autor bereits mit Jonathan Franzen und Don DeLillo verglichen wird.

Hans Meurer - „Vampire – Die Engel der Finsternis“

Dienstag, 3. März 2009

(Eulen, 136 S., HC)
Geschichten von Blutsaugern, den Engeln der Finsternis, haben seit jeher eine große Faszination auf Menschen und vor allem auch Künstler ausgeübt. Schließlich berührt der Vampir in unserer Vorstellungskraft so philosophisch bedeutende Themen wie Tod und (ewiges) Leben, Gut und Böse, Sexualität und Macht. Seine Sucht nach Blut, die stellvertretend für unsere stille Sehnsucht nach ewigem Leben steht, und seine sexuelle Anziehungskraft machen den Vampir zu einem ebenso schaurigen wie anziehenden Monster, das seit Bram Stokers „Dracula“-Roman aus dem Jahre 1897 eine Vielzahl von Künstlern, Filmemachern und Schriftstellern inspiriert hat.
Der Vampirforscher Hans Meurer hat in seinem Werk nicht nur den Mythen nachgespürt, die sich um den Vampir in aller Welt ranken, sondern erläutert gerade auch die bedeutende Verbindung von Tod und Sexualität, spürt dem historischen Graf Dracula und seiner Charakterisierung im klassischen Horror-Roman nach, interpretiert den weitverbreiteten Mythos aus psychologischer Perspektive und zeichnet die Spuren nach, die die Vampire in Literatur, Comics und vor allem in Filmen hinterlassen haben. Mit 75 Farb- und 60 Schwarzweißabbildungen ist das unterhaltsame Buch zudem reichhaltig illustriert.

Basil Copper - „Der Vampir in Legende, Kunst und Wirklichkeit“

(Festa, 335 S., Pb.)
Seit Bram Stokers Roman „Dracula“ und den verschiedensten Vampirfilmen, beginnend mit Bela Lugosis Darstellung des Blutfürsten in dem 1931 inszenierten „Dracula“, übt die mythische Gestalt des Vampirs eine ungeheure, anhaltende Faszination auf uns aus. Zuletzt haben Filme wie „Underworld“ und „Van Helsing“ das beliebte Horror-Thema visuell beeindruckend in Szene gesetzt. Der britische Krimiautor hat bereits 1973 mit dem vorliegenden Buch, das nun erstmals ungekürzt in deutscher Übersetzung vorliegt, eine umfassende Abhandlung über die mythischen, künstlerischen und medizinischen Aspekte des Vampirismus vorgelegt.
So erfahren wir, was es mit dem Holzpflock und dem Kruzifix auf sich hat, die einen Vampir abwehren sollen, wie sich die verschiedenen Vampirlegenden in aller Welt entwickelt haben, wie sich der Vampir in der Literatur, im Theater und Film entwickelt hat, und schließlich schildert Copper auch die Fälle von „echten“ Vampiren, Menschen wie Fritz Haarmann, John George Haigh und Sergeant Bertrand, die Menschen umbrachten, um ihr Blut zu trinken. Das ausführliche Nachwort von Uwe Sommerlad geht vor allem auf die aktuelleren Vampirfilme nach 1973 ein; eine ausführliche Bibliografie und ein umfassender Index runden das informative Werk perfekt ab.

Matthew Bunson - „Das Buch der Vampire. Von Dracula, Untoten und anderen Fürsten der Finsternis“

(Heyne, 315 S., Pb.)
Unzählige Vampir-Geschichten und ihre Verfilmungen scheinen uns bereits allerhand über die nächtlichen Blutsauger vermittelt zu haben, ihre Allergien gegen Knoblauch und Kruzifixe, ihren Blutdurst, ihre erotische Anziehungskraft, die sie auf Frauen ausüben, über Holzpfähle, die, wenn sie ihr Herz durchbohren, ihrem ewigen Leben ein erlösendes Ende setzen. Die bereits 1993 im englischen Original veröffentlichte „The Vampire Encyclopedia“ ist zwar nicht mehr auf dem neusten Stand, was die literarischen, filmischen und musikalischen Verweise auf den Vampir-Mythos angeht, aber er bietet dem interessierten Leser einen prägnanten Überblick über die Ausrüstung des Vampirjägers, die wichtigsten „Dracula“-Verfilmungen und -Romane, Schriftsteller und Filmemacher, die sich dem Blutsauger-Stoff angenommen haben, historische Persönlichkeiten wie die Gräfin Elisabeth Báthory und Fritz Haarmann, die wegen ihrer grausamen Vorlieben mit den Eigenschaften eines Vampirs verglichen wurden, und man erfährt, wie es in verschiedenen Ländern mit dem Glauben an Vampiren bzw. Vorgängen bestellt ist, bei denen Vampire beteiligt gewesen sein sollen.
Darüber hinaus stellt das Buch Checklisten bereit, wie Vampire entstehen und wie sie vernichtet werden können. Ein netter Schwarz/Weiß-Bilderteil und eine weiterführende Bibliografie runden das informative Buch ab, das sich leider manchmal etwas sehr kurz mit wichtigen Kapiteln wie Vampirismus, Schauspielern wie Peter Cushing und Christopher Lee, Sexualität und Liebe und den bedeutendsten Vampirfilmen und -romanen auseinandersetzt.