(Droemer Knaur, 496 S., HC)
Angesichts des weithin verbreiteten und kaum, wenn mittlerweile auch immer häufiger angezweifelten Glaubens an die Wissenschaft und Technologie wirkt der Untertitel des neuen Werks der Erfolgsautoren Baigent/Leigh („Verschlusssache Jesus“, „Der Tempel und die Loge“) etwas unglaubwürdig, ja sogar provozierend. Das englische Autorengespann behauptet nämlich, dass der Erfolg der westlichen Zivilisation nicht auf der Vernunft und der Wissenschaft beruht, die seit dem 17. Jahrhundert im letztlich erfolgreich verlaufenden Wettbewerb mit der Philosophie, den Künsten und der etablierten Religion stand, sondern auf einer von Zauberern, Magiern, Schamanen und Sehern begründeten uralten Tradition.
Dass wir diesen magischen Kräften auch heute noch unterliegen, auch wenn wir sie bewusst nicht mehr wahrnehmen, machen Baigent und Leigh an der Tatsache fest, dass wir immer noch für Manipulationen durch Werbung, Musik und Propaganda anfällig sind, ohne dass die einseitige Ausrichtung auf die Rationalität etwas dagegen ausrichten könne.
Baigent/Leigh gehen mit „Verschlusssache Magie“ auf die Spurensuche nach diesen magischen Einflüssen in unserem Leben und versuchen darzustellen, auf welche Weise sie in der heutigen Zeit noch ihre Wirkung ausüben. Eine Schlüsselstellung nimmt dabei die Hermetik ein und eine als Corpus Hermeticum bezeichnete geheimnisvolle Lehre, denn diese bot Perspektiven, die über die engen Grenzen der Wissenschaft hinausführten, und Einsichten, wie die Magie von den Mechanismen der modernen westlichen Gesellschaft benutzt und ausgebeutet wurde.
Im ersten Teil ihres Buches machen uns Baigent/Leigh mit den magischen Traditionen des Abendlands vertraut, mit Hermes, den alexandrischen Mysterien, der Alchemie und der Magie im frühen Mittelalter, in der Renaissance. Sie erläutern die okkulten Lehren eines Agrippa von Nettesheim, John Dee und Giordano Bruno, um dann Verbindungen zwischen dem hermetischen Denken und den Künsten herzustellen.
Magie definieren die Autoren kurz als „die Kunst, Dinge geschehen zu machen“. Dazu zählen natürlich auch manipulative Techniken, und diese sind es, mit denen sich Baigent/Leigh zunächst im zweiten Teil ihres Werkes auseinandersetzen: Manipulation in den Sekten, in der Politik, in der Werbung und in den Medien. Manipuliert wird die Wirklichkeit, die menschliche Wahrnehmung und das Image.
Offensichtlich scheint allein die Kunst im 20. Jahrhundert zum Überlebungsraum der Hermetik geworden zu sein. Der von Baigent/Leigh viel zitierte Autor Lawrence Durrell jedenfalls prophezeite, dass die Menschheit erst dann Reife erlangen würde, „wenn der Mob zum Künstler wird“. Davon sind wir heute zwar noch weit entfernt, aber schließlich fangen auch immer mehr sogenannte normale Menschen an, sich in die Bereiche von Psychologie, Philosophie und Kunst vorzuwagen. Laut Baigent/Leigh sollte die Phantasie nämlich integraler Bestandteil all unserer mentalen Fähigkeiten sein. „Sie ermöglicht es uns, vielleicht zum ersten Mal die Auswirkungen und Folgen unseres Tuns zu erkennen; und somit hilft sie uns, einen moralischen Rahmen für unser Leben zu schaffen“, schreiben sie zum Schluss. „Die Phantasie benutzen heißt wach werden.“
Es ist äußerst spannend und unterhaltsam, den beiden Autoren bei ihrem Streifzug durch die Geschichte der Magie und ihren Erscheinungsformen in der heutigen Zeit zu begleiten. Darüber hinaus versteht das Buch aber auch vielleicht wirklich, den für solche Fragen offenen Leser dazu zu bewegen, seine Lebensumstände zu überdenken und gefeiter gegen die suggestiven Kräfte gerade der Medien zu werden.
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