(Kampa, 432 S., HC)
Während ihr Mann Reggie im Sommer 1968 im britischen Brighton den Film mit dem schwülstigen Titel „Emily Bracegirdles außerordentlich hilfreiche Leiter zum Mond“ abgedreht, lässt sich seine Frau Elfrida Wing mal wieder einen neuen Romantitel einfallen. Seit sie vor zehn Jahren mit „Das große Spektakel“ ihren letzten Roman veröffentlichte, ist sie zu nichts anderem mehr fähig gewesen, als ihr Notizbuch mit möglichen Titeln für einen neuen Roman zu füllen, doch der einmal thematisierte und dann stets wiederholte Vergleich ihrer Werke mit denen von Virginia Woolf hat ihre eigene Produktivität letztlich zum Erliegen gebracht und sie in den Alkohol getrieben. Talbot Kydd produziert den Film, frönt dabei seinem Hobby der Fotografie, mit der er seine geheimen homosexuellen Neigungen ausleben kann. Die Dreharbeiten verlaufen allerdings nicht reibungslos.
Die 28-jährige Hauptdarstellerin Anny Viklund beginnt eine Affäre mit ihrem Filmpartner Troy, einem Pop-Sänger, dessen abknickende Karriere durch den Film wieder in Schwung kommen soll. Als Annys Liebhaber, der französische Philosoph Jacques Soldat, überraschend am Set auftaucht, braucht er nur die beiden bei ihrem Filmkuss zu beobachten, um zu begreifen, dass die beiden etwas miteinander haben. Doch richtig kompliziert wird es für Anny, als ihr Ex-Mann Cornell Weekes nach seiner Flucht aus dem Gefängnis ebenfalls bei ihr auftaucht und sie um Geld bittet, damit er für immer untertauchen und aus ihrem Leben verschwinden kann.
Als das FBI den flüchtigen Terroristen jedoch festnehmen kann und das Bargeld bei ihm entdeckt, droht die ganze Filmproduktion zu kippen. Elfrida, die zunächst noch mit großem Elan für ihren Roman über Virginia Woolfs letzten Tag ihres Lebens recherchiert, entdeckt, dass ihr ohnehin treuloser Mann eine Affäre ausgerechnet mit der zusätzlich an Bord geholten Drehbuchautorin Janet unterhält, was sie mehr als sonst erschüttert und zu alkoholinduzierten Halluzinationen führt …
„Ich bin am Ende meiner Kräfte, gestand Elfrida sich ein, völlig am Ende. Ihre Ehe war eine schmähliche Farce, und sie war offenkundig nicht in der Lage, mehr als ein paar Zeilen jenes Romans zu Papier zu bringen, der sie doch retten, die Jahre des Schweigens ungeschehen und ihren Ruhm wiederbeleben sollte. Zu allem Überfluss war ihr Arm von winzigen Parasiten befallen, die sich an ihrer Haut gütlich taten. Das war mehr, als ein Mensch ertragen konnte.“ (S. 350)
Mit seinem neuen Roman „Trio“ taucht der in Ghana als Sohn schottischer Eltern und dann in Großbritannien aufgewachsene Bestseller-Autor William Boyd in die schillernde Welt einer Filmproduktion ein, zeigt aber von Beginn an auf, mit welch inneren Dämonen seine drei Hauptakteure zu kämpfen haben, auf die sich der Romantitel bezieht. Während die Schriftstellerin Elfrida Wing aber eher ihren eigenen, einsamen, durch freigebigen Wodka-Genuss vermeintlich leichteren Kampf gegen ihre Schreibblockade ausficht und sich durch ihre Recherche zum Selbstmord von Virginia Woolf selbst in eine ähnlich selbstzerstörerische Lage manövriert, sind die Beziehungen der Filmleute untereinander etwas komplizierter gestrickt. Dabei reichen Boyd nur wenige Hinweise auf die Machenschaften hinter den Kulissen, wo sich mit Geld und Erpressung alles regeln lässt, wo Stunt-Doubles für ausgerissene Hauptdarsteller etwas mehr eingesetzt werden als geplant und der ehemalige Pop-Star und Hauptdarsteller im Abspann des Films noch einen Titel singen darf, damit seine Karriere auch wirklich wieder einen Schub nach vorn bekommt.
Auch wenn der Autor es versäumt, den interessanten Hintergrund der 1968er Bewegung mehr in seinem Plot zu berücksichtigen und auch nicht besonders tiefsinnig bei der Ausgestaltung seiner Figuren vorgegangen ist, ist ihm mit „Trio“ ein durchweg vergnüglicher Roman gelungen, der die moralischen Verfehlungen seiner Anti-Helden ebenso locker abhandelt wie die kurzfristigen Änderungen im Drehbuch und bei der Produktion.
Am Ende spielen die drei Figuren nicht nur ihre Rollen als Kulturproduzenten, sondern auch in ihrem eigenen Leben. Boyd bringt diese anstrengenden Rollenwechsel ebenso ironisch wie temporeich voran, verändert durch kurze Kapitel stets die Erzählperspektiven und wirbelt so furios durch die teils tragisch verlaufenden Schicksale des Trios.
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