Dan Simmons – (Joe Kurtz: 1) „Eiskalt erwischt“

Donnerstag, 11. Juli 2019

(Festa, 336 S., Tb.)
Um seine ehemalige Partnerin Sam Fielding zu rächen, tötet Privatdetektiv Joe Kurtz erst den einen ihrer Killer, wirft dann den zweiten namens Eddie Falco aus dem Fenster eines Hochhauses, direkt auf das Dach eines Polizeiwagens. Kurtz lässt sich widerstandslos festnehmen und verbringt die nächsten elfeinhalb Jahre im Knast von Attica. Als er von seiner Assistentin Arlene Demarco abgeholt wird, gründet er im Keller eines Porno-Shops in Buffalo eine Partnervermittlung für ehemalige Highschool-Liebschaften, wobei Arlene die Büroarbeit übernimmt und Kurtz den Überbringer für den einen oder anderen Stapel von alten Liebesbriefen.
Doch obwohl Kurtz wegen seiner Haftstrafe keine Waffen tragen, sich nicht mit Kriminellen treffen darf und schon gar nicht seine Lizenz als Privatdetektiv zurückbekommt, bietet er dem Mafioso Byron Tatrick Farino, dessen Sohn Stephen „Little Skag“ Farino er im Gefängnis vor Repressalien beschützt hatte, seine Dienste an, indem er Nachforschungen zum vermissten Farino-Buchhalter Buell Richardson anstellt. Kurtz gerät in kürzester Zeit zwischen die Fronten der immer schwächer werdenden Farino-Familie und den Gonzagas, legt sich mit dem neuen Rechtsanwalt der Familie, Leonard Miles, an, schmeißt einen seiner ehemaligen Klienten – so will es später die Legende – in die Niagara-Fälle und lässt sich auf eine Affäre mit der Farino-Tochter Sophia ein.
Schließlich bekommt es Kurtz auch mit dem Profikiller zu tun, der nur als der Däne bekannt ist, mit der Killer-Truppe sowohl der Farinos als auch der Gonzagas und dem korrupten Cop Hathaway, aber Kurtz ist all seinen Verfolgern immer einen Schritt voraus, kann dabei sowohl auf die Loyalität seiner Sekretärin Arlene, seiner Bewährungshelferin Peg O’Toole als auch seines Informanten Pruno zählen, der nach seiner akademischen Laufbahn als Obdachloser in Buffalo lebt.
„Kurtz hatte die Idee für die Ablenkung nicht der Ilias entliehen. Aber nach Prunos Vorschlag, sich an den gelesenen Büchern zu orientieren, war ihm wieder ein reißerischer Spionagethriller eingefallen, der in den Zellentrakten von Attica die Runde machte. Irgendwas über Ernest Hemingway, der sich während des Zweiten Weltkriegs auf Kuba als Spion versucht hatte.“ 
Kurtz findet heraus, dass Richardson Geschäften auf die Schliche kam, die Miles an der Familie vorbei am Laufen hatte, und aus dem Weg geräumt worden war, als er einen Anteil an der Beute verlangte. Die Luft wird damit auch für Joe Kurtz immer dünner …
Dan Simmons hat sich seit Mitte der 1980er Jahre sowohl im Horror- als auch Science-Fiction-Genre einen Namen gemacht und mit Werken wie „Göttin des Todes“, „Kraft des Bösen“, „Hyperion“, „Sommer der Nacht“ und „Ilium“ Preise wie den World Fantasy Award, Locus Award und Bram Stoker Award errungen. 2001 erweiterte er sein literarisches Spektrum um den Hardboiled-Detektivroman, womit er die Tradition von Schriftstellern wie Dashiell Hammett und Raymond Chandler aufgreift und sie ins Extreme steigert. Simmons hält sich weder mit einer Einführung seiner Figuren, noch mit einer moderaten Entwicklung des Plots auf, sondern setzt von Beginn an auf ein hohes Tempo und krasse Action. Erst nach und nach werden die einzelnen Puzzleteile von Joes Vergangenheit aufgegriffen, wobei Sams Tochter Rachel, die bei ihrem raubeinigen Stiefvater lebt, zu den interessanteren Aspekten zählt. Bei dem halsbrecherischen Tempo und der teilweise recht abstrusen Entwicklungen im Plot kommen die Charakterisierungen der Figuren zwangsläufig zu kurz, und die halsbrecherische Art, wie Kurtz mit seinen oft übermächtig wirkenden Gegners umgeht, wirkt auf Dauer arg übertrieben. Doch Simmons erweist sich auch im Hardboiled-Krimi-Sektor als großartiger Stilist, der vor allem das Lebensgefühl in der zunehmend heruntergekommenen, von Drogen, Gewalt und Korruption geprägten Stadt Buffalo gut einzufangen versteht. Auf jeden Fall hat er mit Joe Kurtz eine kluge und schlagkräftige Figur geschaffen, die es bislang auf zwei Fortsetzungen gebracht hat.

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