(Ullstein, 592 S., Pb.)
Pascal Engman hat seit seinem Thriller-Debüt „Der Patriot“ aus dem Jahr 2017 bereits mit „Feuerland“ und „Mörderische Witwen“ zwei Romane veröffentlicht, in der die schwedische Kriminalkommissarin Vanessa Frank ermittelt. Für seinen neuen Roman hat er sich nicht nur mit dem renommierten Journalisten Johannes Selåker zusammengetan, der bei Aftonbladet, Expressen und Aller Media als Nachrichtenleiter und Chefredakteur tätig gewesen ist, sondern gleich eine weitere vielversprechende Reihe ins Leben gerufen, in der Kriminalkommissar Tomas Wolf und die Journalistin Vera Berg einen etwas holprigen Start bei der Suche nach dem Mörder einer jungen Frau in einem Stockholmer Vorort erwischen.
Die Bilder, die sich Tomas Wolf im Oktober 1993 bei seinem Einsatz als Mitglied der schwedischen UN-Soldaten in Bosnien-Herzegowina in den Kopf gebrannt haben, lassen den Kriminalkommissar nicht mehr los, vor allem aber nicht die Bekanntschaft der jungen Frau Azra, die er aus einem Versteck in einem von Kroaten verwüsteten Dorf gerettet hat. Seit er wieder daheim ist, plagen Wolf ganz andere Probleme. Für seine Frau Klara und die beiden Kinder Alexander und Ebba wollte Wolf eigentlich die Anzahlung für ein neues Haus leisten, doch das dafür zurückgelegte Geld hat er anderweitig ausgegeben, was zu einer handfesten Ehekrise führt. Auf dem Weg zu seinem Bruder, der ihm noch Geld schuldet, landet er in dem schäbigen Vorort Märsta an einem Tatort, wo eine junge Migrantin unter einer Plane vergewaltigt und erdrosselt aufgefunden worden ist.
Derweil hat sich die Journalistin Vera Berg in Malmö von ihrem drogenschmuggelnden, unzuverlässigen Freund Jonny Müller getrennt und sich mit dessen sechsjährigen Sohn Sigge heimlich nach Stockholm aufgemacht, wo sie als überregionale Journalistin in der Hauptstadtredaktion der Kvällsposten einen neuen Job antritt und gleich die Berichterstattung über diesen Mordfall übernimmt.
Wolf und Berg gehen allerdings auf unterschiedliche Weise bei der Suche nach dem Mörder vor, denn im Gegensatz zu dem Kommissar weiß die Journalistin von einem ähnlichen Fall aus Malmö, wo ebenfalls eine vor dem Bosnienkrieg geflüchtete Frau vergewaltigt und ohne Slip aufgefunden worden war. Und sie verfügt – wenigstens für kurze Zeit - über eine Zeichnung, die eine Freundin des einen Opfers vom Täter angefertigt hat.
Wolf gerät aufgrund seiner neonazistischen Vergangenheit selbst in den Kreis der Verdächtigen, aber auch der der bekannte schwedische Schauspieler und Frauenliebling Micael Bratt sowie der LKW-Fahrer Jörgen Waltz werden von den Ermittlern ins Visier genommen.
„Was wusste sie eigentlich über Wolf? Er war als Jugendlicher in der White-Supremacy-Bewegung gewesen. Er hatte es als Jugendsünde abgetan. Aber wenn das stimmte, warum hatte er dann nicht mit seinem Bruder gebrochen, der noch immer ein Vollblut-Nazi war?“
Das schwedische Autoren-Duo Engman & Selåker hat sich mit „Sommersonnenwende“ gleich mehrerer brisanter Themen angenommen, den Gräueln des Bosnien-Krieges ebenso wie der Flüchtlings-Thematik mit dem damit verbundenen Rassismus neonazistischer Gruppierungen, zu denen Kriminalkommissar Tomas Wolf mehr als nur berufliche Verbindungen aufweist. Schließlich entwickelt sich auch das frauenverachtende Verhalten von Männern zu einem wesentlichen Punkt, wobei Selåker als Journalist selbst einen wesentlichen Beitrag zur #MeToo-Untersuchung geleistet hat.
Dies alles vermengt das Duo zu einem packenden Thriller, der im schwedischen Sommermärchen des Jahres 1994 angesiedelt ist, als die schwedische Fußballnationalmannschaft bei der WM in den USA überraschend den 3. Platz belegte. Engman & Selåker nehmen sich viel Zeit für ihre beiden so unterschiedlichen Protagonisten, wobei ihre Wege lange Zeit nebeneinanderher verlaufen und sowohl Wolf als auch Berg nebenbei ihre privaten Probleme in den Griff bekommen müssen.
Das ist vielleicht etwas viel Stoff für einen Auftaktroman einer neuen Serie und wird der Komplexität der Themen kaum gerecht, aber die interessanten Protagonisten und der tempo- und abwechslungsreiche Plot machen „Sommersonnenwende“ zu einem kurzweiligen Thriller-Vergnügen.
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