(Heyne Hardcore, 428 S., Pb.)
Mit John Niven und Irvine Welsh hat Heyne Hardcore bereits zwei schottische Schriftsteller mit ganz eigener Stimme im Programm, über die ihr Landsmann Alan Parks mit seiner Reihe um den in Glasgow agierenden Cop Harry McCoy auf andere Weise verfügt. Während ihm zwar der derbe Humor seiner berühmten Kollegen abgeht, fesselt er mit atmosphärisch stimmigen und fesselnden Krimis. Nach „Blutiger Januar“ und „Tod im Februar“ folgt mit „Bobby March Forever“ nun der dritte Teil in der McCoy-Reihe.
Für den damals 17-jährigen Bobby March ging ein Traum in Erfüllung, als er mit seiner Band The Beatkickers und ihrem Manager Tom im Februar 1964 im Zug nach London saß, um bei dem berühmten Parlophone-Label eine Aufnahmesession zu absolvieren. Knapp zehn Jahre später hat Bobby vor allem als Gitarrist Karriere gemacht und wurde sogar von den Rolling Stones gebucht. Doch nun wird seine Leiche mit einer Nadel im Arm in seinem Hotelzimmer in Glasgow entdeckt. Für Detective Harry McCoy von der Glasgower Police Force scheint der Fall schnell geklärt: Überdosis. Doch als er mit Bobbys heruntergekommenen Vater redet, erwähnt dieser eine beige Tasche, die sein Sohn immer in seiner Nähe hatte, doch im Hotelzimmer war sie nicht aufzufinden.
McCoy hat aber dringendere Aufgaben zu erledigen. So wird seit fünfzehn Stunden die dreizehnjährige Alice Kelly vermisst, und der korrupte wie geschniegelte Detective Inspector Bernard „Bernie“ Raeburn schickt seinen verhassten ehemaligen Partner McCoy zunächst von Tür zu Tür für die Befragungen der Nachbarn, dann schanzt er ihm eine Reihe von ungelösten Raubüberfällen zu, nur damit er aus seinem Umfeld verschwindet. Als hätte der dreißigjährige Cop nicht schon genug zu tun, bekommt er von seinem ehemaligen Vorgesetzten Chief Inspector Hector Murray den inoffiziellen Auftrag, dessen fünfzehnjährige Nichte Laura wieder nach Hause zurückzubringen, nachdem sie offensichtlich mit dem berüchtigten Donny MacRae durchgebrannt ist.
Als Raeburn einen psychisch labilen Jungen für den mutmaßlichen Mord an Alice einem brutalen Verhör unterzieht, kommt es zur Katastrophe, worauf Raeburn seinen Hass gegenüber McCoy offen auslebt. Der versucht mit Raeburns Partner Douglas „Wattie“ Watson Licht in die verschiedenen Fälle zu bekommen, wobei sich ihre Wege mit McCoys früheren Kumpel Steven Cooper kreuzen, der mit seinen Handlangern Billy Weir und Jumbo Mühe hat, die Zügel in Glasgows Unterwelt in der Hand zu behalten, ist er doch selbst von dem Stoff abhängig geworden, den er vertickt. Als McCoy zu einer Beerdigung nach Belfast fährt, gerät er auch noch mitten in die Konflikte mit der IRA. Aber auch wieder zurück in Glasgow erlebt McCoy einige böse Überraschungen …
„Was ihn betraf, so hatte der einzige Mensch, dem er vertraute, gerade die Grenze überschritten. Und wenn dieser Mensch die Grenze überschritten hatte, dann war die Schlacht verloren. Dann konnte er genauso gut auch aufgeben. Wenn Murray die Grenze überschritten hatte, dann würde die Polizei bald nur noch aus Raeburns bestehen. Ignoranten Arschlöchern, die ihre Macht ausspielten, in die eigene Tasche wirtschafteten, das Gesetz auslegten, wie es ihnen am besten in den Kram passte. Und damit wollte er nichts zu tun haben.“ (S. 394)
Offensichtlich plant Parks, mit seiner Reihe um Harry McCoy jeden Monat des Jahres abzudecken. Dabei trägt sein dritter Band den März nur im Namen des viel zu früh verstorbenen Rockstars, dessen Karriere Parks immer wieder in kurzen Rückblenden Revue passieren lässt. Hier demonstriert Parks ein ähnlich ausgeprägtes Gespür für Rockmusik und das Umfeld, in dem sie entsteht, wie er die Atmosphäre im an allen Ecken und Enden abgefuckten Glasgow wunderbar einzufangen versteht. Es ist allerdings eine dreckige Welt, in der Gewalt, Folter, Korruption, Entführungen, Überfälle, Drogenmissbrauch, Erpressung und Drohungen den Alltag bestimmen. Selbst McCoy muss einiges an Prügeln über sich ergehen lassen, schlägt aber auch mal zu, wenn es die Situation erfordert.
McCoy bleibt kaum etwas anderes übrig, die Pubs abzuklappern und seine Kontakte zur Glasgower Unterwelt aufzufrischen, um all die vertrackten Fälle zu lösen, die ihm Raeburn auf den Tisch geknallt hat. Parks gelingt das Kunststück, durch die geschickte Verknüpfung der Spuren, die sein sympathischer Protagonist in den verschiedenen Fällen verfolgt, ein hohes Tempo beizubehalten und sukzessive die Spannung zu erhöhen. Dabei nimmt sich der Autor aber auch die Zeit, seine Figuren und die Umgebung, in der sie leben und arbeiten, so lebendig zu beschreiben, als wäre sein Roman ein Drehbuch für das Kino im Kopf des Lesers. Vor allem die authentisch wirkenden Dialoge und die Schilderung der Musik- und Pubszene machen „Bobby March Forever“ zu einem stimmungsvollen Pageturner, bei dem am Ende vielleicht etwas zu konstruiert alle Fälle gelöst werden. Auf jeden Fall hat Alan Parks mit Harry McCoy einen charismatischen, lebensecht wirkenden Cop geschaffen, der uns hoffentlich noch lange begleiten wird.