Um sich gegen unliebsame Geburtstagsgäste und -glückwünsche zu wappnen, gibt der pensionierte Kriminalkommissar Van Veeteren bekannt, anlässlich seines 75. Geburtstages mit seiner Lebensgefährtin Ulrike Fremdli nach Neuseeland verreisen zu wollen. Ganz so weit weg möchte das Paar zwar nicht, doch dass der geplante Trip kein reines Vergnügen zur Erholung wird, dafür sorgt schon Van Veeterens früherer Kollege Münster, der den Bücherliebhaber mit einem alten Fall konfrontiert. Vor zwanzig Jahren hatten es Münster und Van Veeteren nämlich mit einem verheerenden Brand einer Pension in Oosterby zu tun, bei dem vier Personen ums Leben gekommen sind, die zu Schulzeiten den „Verein der Linkshänder“ gegründet und sich in Mollys Pension zu einem Wiedersehenstreffen verabredet hatten.
Als mutmaßlicher Täter wurde schnell das Vereinsmitglied Qvintus Maasenegger ausgemacht, der das Treffen organisiert hatte, aber nicht unter den Toten identifiziert werden konnte und danach untergetaucht geblieben war. Dass der vermeintliche Täter nun selbst tot in einem nahegelegenen Waldstück entdeckt wurde, stellt die offensichtlich voreilig gezogenen Schlüsse bei den Ermittlungen auf den Kopf, denn Maasenegger wurde wohl in etwa zur gleichen Zeit getötet wie seine vier Vereinskollegen in der Pension.
Da die Pension, in der Van Veeteren mit seiner besseren Hälfte die nächsten zwei Wochen verbringen will, nur wenige Kilometer vom damaligen Tatort entfernt liegt, nimmt der Pensionär Kontakt mit dem damals zuständigen Kommissar vor Ort und dem jetzigen Kommissar Radovic auf und versucht, die Ereignisse von damals neu aufzurollen und weitere Hintergrundrecherchen durchzuführen. Dabei ergeben sich Zusammenhänge mit einem Entführungsfall und einem Brief, mit dem eine ehemalige Nonne ihr Gewissen erleichtern will. Als eine weitere Leiche mit einer Axt im Kopf entdeckt wird, kommen auch Kommissar Barbarotti und seine Kollegin/Freundin Eva Backman ins Spiel …
„Der Fall war wirklich nicht besonders kompliziert gewesen. Der Meinung war damals jeder gewesen. Sie waren sich alle einig und hatten völlig daneben gelegen.2006 erschien mit „Sein letzter Fall“ der eigentlich letzte Roman mit dem charismatischen Kommissar Van Veeteren, der sich damals seines einzigen ungelösten Falls in seiner Karriere noch einmal annehmen musste. Mittlerweile genießt er seinen wohlverdienten Ruhestand und kann sich seiner Leidenschaft für Bücher widmen. Doch sein Ermittlerinstinkt wird durch Münsters Besuch reaktiviert, denn die Entdeckung von Maaseneggers Leiche wirft ein unschönes Licht auf die schlampigen Ermittlungen vor zwanzig Jahren, was auch Van Veeterens Lebensgefährtin nicht müde wird zu betonen, die übrigens als „Vernehmungspsychologin“ sehr stark in den neu aufgerollten Fall involviert ist. Irgendwann in der zweiten Hälfte, als eine weitere Leiche auftaucht, kreuzen sich doch noch die Wege von Van Veeteren und Nessers aktuellen Serien-Protagonisten Gunnar Barbarotti, der jedoch kaum zur Aufklärung beitragen kann. Nesser erweist sich in seinem elften Roman um Van Veeteren einmal mehr als souveräner Erzähler, der einen alten Fall zum Anlass nimmt, den fast 75-jährigen Pensionär eine verpfuschte Ermittlung im neuen Licht zu betrachten, wobei ihm seine pfiffige Lebensgefährtin Ulrike Fremdli mehr als nur eine beiläufige Unterstützung gewährt. Geschickt verwebt der Autor verschiedene Zeitebenen und Handlungsorte, bringt durch das Rekapitulieren vergangener Ereignisse, Briefe, Erinnerungen, Tagebucheintragungen, neue Verhöre und aktuelle Gedanken des Täters auf raffinierte Weise nach und nach die Puzzleteile zur Auflösung zusammen und hält so die Spannung auf einem hohen Niveau.
Denn der Abend in Mollys betagter Pension war nicht so abgelaufen, wie sie es sich vorgestellt hatten. Oder doch, das war er wohl schon, aber die Teilnehmerliste stimmte nicht. Es mussten sechs Personen beteiligt gewesen sein, nicht fünf. Fünf Opfer und ein Täter. Nicht vier Opfer und ein Täter, oder?“ (S. 154)
Die immer wieder eingestreuten philosophischen Betrachtungen des pensionierten Kommissars und der warmherzige Humor machen auch „Der Verein der Linkshänder“ zu einem kurzweiligen Lesevergnügen, das erst zum Ende hin durch einige Längen leicht getrübt wird. Wer weiß, vielleicht kehrt Van Veeteren doch noch für den einen oder anderen kniffligen Fall ins Rampenlicht zurück …
Leseprobe Håkan Nesser - "Der Verein der Linkshänder"
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