Als Atle Molne, der norwegische Botschafter in Thailand, mit einem Messer im Rücken auf dem Bett eines eher zwielichtigen Etablissements in Bangkok aufgefunden wird, soll Bjarne Møller, Leiter des Dezernats für Gewaltverbrechen in Oslo, auf Anweisung der Polizeipräsidentin einen seiner besten Männer zur Begleitung der Untersuchung nach Bangkok entsenden. Wie Møller durch den Staatssekretär Askildsen und Verwaltungschef Torhus vom Auswärtigen Amt erfährt, hatte Molne nicht die nötigen Qualifikationen für den Job, dafür aber die wohlwollende Unterstützung des Ministerpräsidenten, der natürlich wenig erbaut wäre, sollte öffentlich werden, dass der verheiratete Molne in einem Bordell zu Tode gekommen ist.
Auf der Suche nach einem geeigneten Beamten, der bereits viel Erfahrung mit internationaler Polizeiarbeit hat und auf gewisse Erfolge zurückblicken kann, kommt Møller auf Vorschlag der Polizeipräsidentin schließlich auf den 35-jährigen Kommissar Harry Hole, der vor einem Jahr in Australien wertvolle Dienste geleistet hatte. Hole ist wenig begeistert von diesem Auftrag. Seit der Vergewaltigung seiner Schwester Søs hängt Hole an der Flasche, doch das reicht offenbar nicht, um den Job zu verweigern. In Bangkok arbeitet Hole mit der glatzköpfigen Amerikanerin Liz Crumley, Hauptkommissarin beim Morddezernat, zusammen.
Bei der Besichtigung des Tatorts und des vor dem Motel parkenden Autos des Botschafters entdecken sie Wettscheine, Ampullen für flüssiges Ecstasy und einen verschlossenen Koffer, in dem die Beamten später Fotos finden, die den Botschafter als Pädophilen entlarvten. Bei den weiteren Ermittlungen stößt Hole auf den Banker Jens Brakke und den schwerreichen Bauunternehmer Ove Klipra, der Molnes Geldsorgen gelindert haben könnte. Brakke, der eine Affäre mit der schwerkranken Frau des Botschafters unterhält, kommt in Untersuchungshaft, doch ist Hole alles andere als von dessen Schuld überzeugt. Für die norwegischen Behörden ist der Fall abgeschlossen, Hole soll wieder zurück in die Heimat beordert werden. Doch Hole will die Sache zu einem befriedigenden Ende bringen und begibt sich bei seinen weiteren Nachforschungen in Lebensgefahr …
„Waren ihm all die Zeitungsartikel und das Schulterklopfen, das er nach seiner Rückkehr aus Australien eingeheimst hatte, wirklich so egal, wie er geglaubt hatte? War die Idee, alles und jeden zu missachten, um sich möglichst bald wieder der Søs-Sache zu widmen, bloß ein Vorwand? Weil es ihm so verflucht wichtig geworden war, Erfolg zu haben?“ (S. 196)
Nachdem der Norweger Jo Nesbø mit „Der Fledermausmann“ ein beachtliches Debüt und den Startschuss für die bis heute erfolgreiche Reihe um Polizeikommissar Harry Hole abgeliefert hatte, lässt er seinen charismatischen Protagonisten in „Kakerlaken“ diesmal im Land des Lächelns ermitteln. Während seine Vorgesetzten davon ausgehen, dass Hole wenig Wirbel um die Ermordung des norwegischen Botschafters machen und den Fall schnell abhaken würde, erweist sich der norwegische Kommissar doch als hartnäckiger und gewissenhafter, als es die politische Führung in seiner Heimat erwartet hat. Hole gerät in ein immer komplexeres Geflecht aus Korruption, Gier, sexuellen Perversitäten und geschickt inszenierten Intrigen.
Nesbø bleibt dabei eher an den Ermittlungen des ermordeten Botschafters als an der Persönlichkeit seiner Hauptfigur. Da erfahren wir nur von den Alkoholproblemen, der Vergewaltigung seiner Schwester, für die Hole noch niemanden zur Rechenschaft ziehen konnte, und seinem Ehrgeiz, den Fall in Bangkok um jeden Preis zu lösen. Vor allem im Finale erweist sich Nesbø als raffinierter Krimi-Autor. Wie er seinen Harry Hole die einzelnen Fäden entwirren und den komplexen Fall letztlich lösen lässt, ist einfach packend geschrieben und macht neugierig auf die nachfolgenden Harry-Hole-Abenteuer, in denen es dann hoffentlich auch wieder persönlicher wird.