(Rowohlt, 221 S., HC)
Mitten in Wisconsin liegt die sterbende alte Bergarbeiterstadt Friendship, in der Jacob Hansen nicht nur als Sheriff, sondern auch noch als Leichenbestatter und Pastor tätig ist. An einem heißen Sommertag wird er von der kleinen Bitsi zu Hilfe gerufen. Old Meyer, ihr Vater, habe einen unbekannten Toten hinter seinem Bienenstock gefunden. Als Hansen zum Fundort radelt, kann er bei dem ausgemergelten Uniformierten keine offensichtliche Todesursache entdecken.
Er lässt den Toten zu Doc Guterson bringen und seinen Kollegen im benachbarten Shawano, Bart Cox, informieren, dass er nach Landstreichern Ausschau halten möge. Als der Doc die erschütternde Diagnose stellt, dass der Soldat an Diphtherie gestorben sei, muss Jansen an die Epidemie denken, die die halbe Bevölkerung von Endeavor vor ein paar Jahren dahingerafft hatte. Doch von einer Quarantäne will der Doc noch nichts wissen. Hansens Frau Marta will mit ihm und Tochter Amelia am liebsten weggehen, doch pflichtbewusst bleibt Hansen bei seiner Gemeinde, in der sich die Toten häufen. Bald bleibt auch Hansens Familie nicht von der Epidemie verschont, dazu nähert sich rasch ein Feuer von Norden, das mit rasender Geschwindigkeit durch die staubtrockenen Wälder fegt. Hansen muss sich zwischen dem Glück seiner Liebsten, der Verantwortung für seine Gemeinde und für die Menschen in den benachbarten Dörfern entscheiden …
Vor dem apokalyptischen Szenario einer vernichtenden Feuersbrunst und Epidemie stellt Stewart O’Nan in seinem 1999 veröffentlichten Roman „A Prayer for the Dying“ aus der Perspektive des verantwortungsbewussten Ich-Erzählers Jacob Hansen wesentliche Fragen nach den Werten sozialer Bindungen und religiöser Ideologie, nach dem Abwägen zwischen persönlichen Bedürfnissen und der Verantwortung für die Gemeinschaft. Ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben, regt O’Nan den Leser zu tiefgründigen Fragen über die menschliche Natur an.
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