John Grisham – „Die Jury“

Samstag, 27. April 2019

(Heyne, 620 S., TB.)
Als das zehnjährige schwarze Mädchen Tonya Hailey in der Kleinstadt Clantan, Mississippi, brutal misshandelt und vergewaltigt wird, braucht der schwarze Sheriff Ozzie Walls nicht lange, um die beiden betrunkenen Weißen Billy Ray Cobb und James Williard als Tatverdächtige festzunehmen. Doch bevor den beiden der Prozess gemacht werden kann, erschießt Tonyas Vater Carl Lee die beiden mit einem M-16-Gewehr, das er von einem Freund bekommen hat, verletzt dabei aber auch einen Deputy so schwer am Bein, dass es unterhalb des Knies amputiert werden muss. Der junge Anwalt Jake Brigance versucht, Carl Lee vor der beantragten Todesstrafe zu bewahren, und hofft, durch den medienwirksamen Prozess, für den er gerade mal 900 Dollar bekommt, in Zukunft weitaus lukrativere Aufträge zu bekommen.
Zusammen mit seinem wohlhabenden und meist betrunkenen Mentor Lucien Wilbanks, dem prominenten, ebenso trinkfreudigen Scheidungsanwalt Harry Rex Vonner und der brillanten Jurastudentin Ellen Roark versucht Brigance, auf Unzurechnungsfähigkeit seines Mandanten zu plädieren, doch hat er in der überwiegend weißen County kaum Hoffnung auf einen fairen Prozess, zumal auch der Ku Klux Klan den Prozess zum Anlass nimmt, in Clanton mit Drohungen, Einschüchterungen und auch Brutalität dafür zu sorgen, dass Carl Lee von der Jury zum Tode verurteilt wird. Bei allen Turbulenzen in Clanton genießen sowohl Brigance als auch der politisch ambitionierte Staatsanwalt Rufus Buckley den Medienzirkus.
„Der eigentliche Medienrummel begann erst beim Prozess. Überall Kameras, neugierige Journalisten, Leitartikel, Fotos auf den Titelseiten von Zeitschriften. Eine Zeitung von Atlanta hatte das Verfahren gegen Carl Lee Hailey als sensationellsten Mordfall im Süden seit zwanzig Jahren bezeichnet. Jake wäre sogar bereit gewesen, den Angeklagten gratis – beziehungsweise fast gratis – zu vertreten.“ (S. 188) 
Mit seinem 1989 in den USA veröffentlichten Romandebüt „A Time to Kill“ (Die Jury), der 1996 von Joel Schumacher erfolgreich verfilmt wurde, machte der ehemalige Anwalt John Grisham das Justiz-Thriller-Genre so populär, dass sich fortan nicht nur seine eigenen Werke wie „Die Akte“ und „Die Firma“ in den internationalen Bestseller-Listen fanden, sondern auch diejenigen von Autoren wie Michael Connelly oder John T. Lescroart.
Mit „Die Jury“ zeigt Grisham auf spektakuläre Weise auf, von welchen Faktoren ein juristischer Prozess abhängig ist. Zwar beschreibt Grisham das Geschehen überwiegend aus der Perspektive von Carl Lee Haileys Anwalt Jake Brigance und seinem Stab, doch werden immer wieder die Beweggründe auch der gegnerischen Partei und anderer Beteiligter an diesem aufsehenerregenden Prozess aufgezeigt.
Grisham gelingt eine leicht verständliche Schilderung der Prozedur, nach welchen Kriterien die Anwälte die Jury zusammenstellen, psychiatrische Gutachter aussuchen, aber auch vor unlauteren Mitteln nicht zurückschrecken, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Das mag sich erst einmal trocken anhören, doch Grisham spickt seinen Thriller fortwährend mit Konflikten und Spannungsmomenten, die sich hier vor allem aus der Rassismus-Problematik speisen.
Da scheint selbst auf den ehrenwerten Richter Omar „Ichabod“ Noose Druck ausgeübt zu werden. Jakes Frau Carla verlässt nach einem vereitelten Bombenattentat mit der gemeinsamen Tochter das viktorianische Stadthaus und zieht ins entlegene Strandhaus, aber auch auf Jakes Sekretärin Ethel und ihren Mann und seine junge Assistentin Ellen werden brutale Attacken ausgeübt, um sie und natürlich auch Jake einzuschüchtern.
Bis zum Schluss hält Grisham die Spannung aufrecht, wenn die Geschworenen darüber entscheiden müssen, ob der Angeklagte zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war oder nicht und damit eben schuldig oder unschuldig. Allerdings werden nicht nur die feigen Attentate des Ku Klux Klans verurteilt, sondern auch die Kirchen, die im Namen von Carl Lees Familie Spenden sammeln, aber dafür einen eigenen Anwalt ins Spiel bringen wollen und einiges von dem Geld in den eigenen Taschen verschwinden lassen. Dazu geraten auch die Abwerbungstechniken prominenter Anwälte in den Fokus. Die trockenen Justizangelegenheiten werden auf der anderen Seite immer wieder durch die feucht-fröhlichen Besprechungen in Lucien Wilbanks Zuhause aufgelockert, so dass „Die Jury“ wirklich alles bietet, was einen perfekten Thriller ausmacht.
Leseprobe John Grisham - "Die Jury"

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