(Ebury Press, 216 S., Pb)
Es ist ja schon seltsam, dass das ultimative Buch über die so einflussreiche Düsseldorfer Electro-Formation Kraftwerk aus dem englischsprachigen Raum kommt, aber auf den zweiten Blick ist dieses Phänomen doch wieder nicht so überraschend, wie man anfangs glauben mag. Schließlich ist der Einfluss von Kraftwerk auf die britische Industrial- und Dance-Szene der 80er Jahre (mit Bands wie Ultravox, The Human League, Cabaret Voltaire und Heaven 17) sowie die amerikanische und europäische Electro-, House- und Techno-Szene weitaus größer gewesen als auf die deutsche Musikszene.
Tim Barr, der als Experte für die Detroiter Techno-Szene gilt und über elektronische Musik für Blätter wie „The Face“, „NME“ und „Melody Maker“ geschrieben hat, versucht mit seinem Buch „Kraftwerk“ das Geheimnis zu lüften, das die stets im Verborgenen agierende Düsseldorfer Band seit gut zwanzig Jahren umgibt.
Nachdem Barr in einem historischen Überblick auf prägnante Weise die Katalysator-Funktion von Musik für gesellschaftliche Veränderungen seit den 50er Jahren rekapituliert, beginnt er Kraftwerks Geschichte mit dem Zeitpunkt, als die Popkultur mit den Beatles hoffähig geworden war und die Titelblätter der Boulevardpresse belegte. Die Bedeutung von Kraftwerk in diesem Prozess wird schon allein durch die Tatsache deutlich, dass die Düsseldorfer Band die erste gewesen ist, die die alleinbestimmende Rolle der amerikanischen und britischen Künstler - von Elvis über Chuck Berry, The Who, The Beatles bis zu den Rolling Stones - bei der Formulierung einer neuen Sprache in der Pop- und Rockgeschichte beenden konnte und fortan die elektronische Musik rund um den Globus beeinflussen sollte.
Barr behält bei der Verfolgung von Kraftwerks Geschichte stets das musikalische Umfeld im Blick, auf das das Quartett seinen Einfluss ausüben sollte, aber auch die Inspirationen, der Kraftwerk unterlagen. Durch eigene Interviews, ausgewählte Zitate, Schwarz-Weiß-Fotos und eine ausführliche Diskografie (samt Bootlegs) ist dem Autor ein leicht verständliches, aber umfassendes und interessantes Portrait einer Band gelungen, deren Bedeutung einem nach der Lektüre von „Kraftwerk“ erst richtig bewusst wird.
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