(Hannibal/vgs, 300 S., Pb.)
Mit Tim Barrs kürzlich, bislang leider nur auf Englisch erschienener Kraftwerk-Biographie wurde eine längst überfällige Lücke geschlossen, was die ausführliche Auseinandersetzung mit einer der bedeutendsten deutschen Kulturexporte angeht. Tim Barr und sein englischer Kollege Dave Thompson („Industrial Revolution“) waren es schließlich auch, die ex-Kraftwerker Wolfgang Flür zu seinen ganz persönlichen Erinnerungen anregten, die er in „Kraftwerk - Ich war ein Roboter“ auf sehr unterhaltsame Weise niederschrieb. Tim Barr wollte nämlich unveröffentlichte Fotos von früheren Kraftwerk-Auftritten zusammenstellen, und als Flür in seinem Aluminium-Koffer stöberte, geriet er in eine Art Rausch, als er seinen „deutschgedanklichen Kulturbeutel“ durchwühlte, ließ Erinnerungen an Hotelzimmer, Flugzeuge und andere Länder wieder aufleben, zu denen alte Polaroids, Zeitungsartikel, Pressefotos und anderes mehr die entsprechenden Initialzündungen lieferten. Und Thompson wollte der von Journalisten meistgestellten Frage nachgehen, warum Flür Kraftwerk verlassen habe, was den ehemaligen Kraftwerk-Trommler letztlich zu dem vorliegenden Buch inspirierte.
Dabei geht es Flür vor allem darum, dass man sein „romantisches Herz“ und seine „teutonische Seele“ besser versteht, weshalb er oft in eine frühere Zeit zurückblendet, „als die Lust am Leben und der Spaß am Klang in mir geweckt wurden“. Flür langweilt den Leser dabei nicht mit den Arbeitsprozessen, präzisen Anordnungen, dem Aufbau des elektronischen Instrumentariums oder technischen Fachausdrücken, die man zunächst mit einer die elektronische Musik maßgeblich beeinflussten Band wie Kraftwerk zwangsläufig assoziiert, sondern stellt eher Erlebnisse in den Vordergrund, die die zwischenmenschlichen Beziehungen der Kraftwerk-Mitglieder erhellen. Doch zunächst beschreibt Flür seine Kindheit, seine Entwicklung vom Beatnik zum Mod, seine aufkeimende Leidenschaft für das Trommeln, in dessen Felle er all seine Energien und seinen ständigen Liebeskummer schlug. Ausführlicher beschreibt Flür natürlich die Anfänge und den Werdegang von Kraftwerk, die Entstehung und Ausbreitung des Phänomens „Krautrock“ in Amerika aus ganz persönlicher Perspektive, die sich vor allem in Reisebeschreibungen durch Amerika im Jahr 1975 niederschlägt. Schließlich die längere Kreativpause, die Trennung von Kraftwerk und die Gründung des eigenen Projekts Yamo. Angereichert mit vielen s/w- und Farbfotos aus Flürs Privatarchiv, bietet „Kraftwerk - Ich war ein Roboter“ einen informativen, intimen, eben sehr persönlichen Einblick in die Geschichte Kraftwerks, wie ihn nur ein direkt Beteiligter geben kann.
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